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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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fühle mich nützlich. Ich dachte, das hätten Sie verstanden.«
    Der Psychiater allerdings kümmerte sich nicht um Mistrals Befindlichkeiten. Er wurde sogar noch ein wenig direkter.
    »Sie speisen mich mit Allgemeinplätzen ab, wenn Sie mir den Ausdruck gestatten. Aber was motiviert Sie wirklich?«
    »Die Ermittlungen, die Beziehungen zu den Kollegen, die Tatsache, dass wir die gleiche Anspannung teilen – solche Dinge eben. Kurz und gut – nichts Besonderes.«
    »Okay, das hört sich zwar schon besser an, wirkt meines Erachtens aber immer noch zu glatt. So einfach ist das doch wohl nicht. Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, welche Art Polizist in den letzten Jahren aus Ihnen geworden ist?«
    Mistral dachte nicht lange über seine Antwort nach. Die bohrenden Fragen verstimmten ihn, doch er bemühte sich, seinen Ärger zu verbergen.
    »Ich bin eine Art Jäger, wenn Sie so wollen«, erklärte er einem Impuls folgend. »Das sind wir aber alle. Auch das ist nichts Neues.«
    »Ein Jäger? Okay. Unter dem Äußeren eines idealen Schwiegersohns – wohlerzogen, höflich, elegant, immer lächelnd und so weiter und so fort – verbirgt sich also ein Jäger. Aber irgendwie leben Sie doch auch in der gleichen Welt wie diejenigen, die Sie verfolgen – auch wenn Sie sich auf der anderen Seite der Barriere befinden.«
    Mistral hörte dem Therapeuten aufmerksam zu. Er nahm sich fast eine Minute Zeit für seine Antwort, obwohl er längst wusste, was er sagen wollte. Die Wendung, die ihr Gespräch genommen hatte, erstaunte ihn.
    »Als Polizist muss man Jäger sein. Wir werden mit Tätern konfrontiert, die sich wie Tiere verhalten, die gewalttätig sind, denen ein Menschenleben nichts bedeutet und die nur ihre Bedürfnisse befriedigen wollen. Diese Kreaturen erschweren uns Polizisten das Leben, weil sie uns quälen und nicht loslassen. Sie zu suchen gleicht einer Treibjagd, auch wenn sich diese Jagd oft in einer Stadt abspielt. Auch dort gibt es wilde Tiere.«
    »Wenn es wirklich so ist, müssen Sie aber auch akzeptieren, dass aus Jägern manchmal Gejagte werden. Verstehen Sie, was ich meine? Immerhin haben wir eine ziemlich schmerzhafte gemeinsame Vergangenheit, daher nehme ich mir ein paar Freiheiten heraus. Sie wissen, dass wir hier kein Gespräch zwischen Arzt und Patient führen, sondern eine freundschaftliche Unterhaltung. Ich kann Ihnen ebenso wenig helfen wie Sie mir.«
    Mistral nickte.
    »Das ist mir durchaus klar. Okay, sagen wir also, ich wurde zum Gejagten, ohne dass ich es hatte kommen sehen.«
    »Gehen Sie ruhig noch ein Stück weiter. Sie mussten feststellen, dass Sie nicht unfehlbar sind, konnten aber nicht sofort darauf reagieren. Das aber hat Ihre Sicherheit in ihren Grundfesten erschüttert.«
    »Ganz so einfach ist die Sache sicher nicht.«
    »Dann gehen wir doch noch ein Stück weiter. In Ihrem letzten Fall ging die Festnahme gründlich schief. Das haben Sie selbst zugegeben.«
    »Ich habe seither viel nachgedacht. Ich habe nicht genügend Reflexe gezeigt, ich habe mich übertölpeln und verwirren lassen.«
    »Der Jagdinstinkt und der Todesstoß. Im Grunde ist das alles sehr natürlich. Denken Sie einmal darüber nach. Trinken wir noch einen Kaffee?«
    »Sehr gern.«
    Die beiden Männer schwiegen eine Weile. Als der Kaffee kam, räusperte sich Thévenot.
    »Haben Sie schon einmal von PTBS gehört, Ludovic?«
    Mistral verneinte.
    »Es ist die Abkürzung für Posttraumatische Belastungsstörung.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Ich nehme an, Sie können es sich schon denken. Ein Mensch, der mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert wurde – zum Beispiel mit einer schweren Verletzung –, reagiert mit Ängsten. Außerdem wird das Ereignis immer wieder nacherlebt, und zwar hauptsächlich im Traum.«
    »Und weiter?«
    »Es kommt zu Einschlafstörungen, die wiederum zu erhöhter Reizbarkeit und häufigen Wutanfällen führen. Man kann sich schlecht konzentrieren; auch Beziehungsprobleme können eine Folge sein. Wird der Traumatisierte mit einer ähnlichen Situation konfrontiert, kann er nicht reagieren.«
    »Fahren Sie fort.«
    »Viele Notfallärzte, Gerichtsmediziner und Polizeibeamte leiden unter PTBS. Ohne die Hilfe eines Psychologen oder Psychiaters kann man dem Teufelskreis kaum entrinnen.«
    »Sehr interessant. Aber ich fühle mich nicht betroffen.«
    »Ich an Ihrer Stelle würde noch einmal genauer darüber nachdenken. Aber vergessen Sie nicht, dass ich nichts für Sie tun kann, weil wir die

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