Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
übersehen. Und wie wir dort waren, sind wir ja noch von Selbstmord ausgegangen. Sie meinen also, den … den hat wer umgebracht?«
»Als der Zug ihn überfahren hat, war er schon eine Weile tot. Wer hat den Schlüssel zum Haus?«
»Liegt in meiner Schreibtischschublade oben links. Brauchen Sie ihn heute noch?«
»Ich brauche ihn jetzt sofort.«
Es kostete mich einige Überredungskünste und Schmeicheleinheiten, aber schließlich willigte er ein, in einer Stunde vor Uwe Hergardens Haustür auf mich zu warten. Mit dem Schlüssel in der Hand.
Die einzige Erklärung für den vorgetäuschten Selbstmord, überlegte ich während der Fahrt nach Mannheim, war eine Verwechslung. Jemand aus Grafs Gefolge hatte Fred Hergarden einen ordentlichen Schrecken einjagen wollen. Dafür kamen eigentlich nur die Leibwächter infrage. Sie hatten ihr Opfer gefesselt, vielleicht mit einer Waffe bedroht, aber vermutlich nicht in der Absicht, ihn zu töten. Der erste große Fehler der beiden war gewesen, dass sie sich den falschen Bruder vorgeknöpft hatten. Der zweite, dass dieser ihnen unter den Händen weggestorben war. Um die Tat zu vertuschen, hatten sie das Opfer ihrer Dummheit anschließend ins Auto verfrachtet und einige Kilometer vom Tatort entfernt vor den Zug geworfen. Es war schon nach Mitternacht gewesen, es hatte stark geschneit, die Gefahr, bei dieser vollkommen idiotischen Aktion beobachtet zu werden, war gering gewesen.
Olivia Opelt verfügte weder über das Gemüt noch über die Körperkräfte für eine solche Tat. Als Anstifterin kam sie jedoch durchaus in Frage. Und als Autoverleiherin natürlich auch.
Ich angelte mein Handy vom Beifahrersitz und suchte die Telefonnummer von Klara Vangelis aus dem Telefonbuch. Wie nicht anders zu erwarten, war auch sie heute im Büro.
»Ich brauche den Namen des zweiten Leibwächters von Graf. Und am besten auch noch ein bisschen was zu seinem Lebenslauf.«
»Den bezahlt das ZDF, nehme ich an?«
»Davon gehe ich aus. Aber in der Verwaltung ist heute natürlich niemand zu erreichen. Ich habe es schon versucht.«
31
Dreißig Minuten später stellte ich vor Uwe Hergardens Haus am westlichen Ende der Mannheimer Leutweinstraße den Motor ab. Der Kollege mit dem unaussprechlichen Namen erwartete mich bereits. Er war für seine kräftige Stimme überraschend klein gewachsen, überragte die einhundertsechzig Zentimeter, die man in Baden-Württemberg bei der Einstellung zur Polizei vorweisen muss, sicherlich nicht weit.
Wir schüttelten kollegial Hände und betraten die gepflasterte Fläche vor der Garage. Nicht weit entfernt summten Industrieanlagen und brummten Lkws. Die Tür des bescheidenen und nachlässig gepflegten Häuschens machte keinen wehrhaften Eindruck. Das schmale Vorgärtchen zwischen Haus und Straße zierte verdorrtes Unkraut. Ein lange nicht mehr geschnittener Rhododendron wirkte nicht so, als wollte er noch einmal Knospen treiben. Auch die anderen Häuser, die die schmale Straße säumten, sahen nicht nach großem Wohlstand aus.
Der stämmige Kollege schloss auf, zerriss die beiden Polizeisiegel, die über und unter dem Türgriff pappten. Wir betraten Uwe Hergardens nach Kohl und feuchter Wäsche riechendes Reich.
»Rechts geht’s zur Küche. Geradeaus ins Wohnzimmer. Die Schlafzimmer sind oben.«
»Die Schlafzimmer?«
»Insgesamt drei. Eines mit Doppelbett und zwei ehemalige Kinderzimmer. Von dem Doppelbett ist nur eines bezogen. Das eine Kinderzimmer hat er als Hobbyraum benutzt. Er hat Schmetterlinge gesammelt und Käfer und so. Das ganze Zimmer hängt voll davon. Das zweite Zimmer hat er als Gästezimmer benutzt.«
Ich blieb stehen. Sah ihn an. »Ist da etwa auch das Bett bezogen?«
»Komischweise ja. Aber da ist wenigstens die Bettwäsche sauber.«
»Wer da übernachtet hat, wissen Sie aber nicht?«
»Hier ist keiner gewesen, als wir gekommen sind.« Er seufzte gequält. »Wir haben zweimal geläutet, bevor wir die Tür haben öffnen lassen. Wir haben gedacht, der hat sich vor den Zug geschmissen, und haben geguckt, ob wir irgendwo eine Adresse finden, einen Namen von jemanden, den man anrufen kann. Der ihn identifiziert und sich später um die Beerdigung kümmert und alles. Das war doch keine Staatsaktion.«
Wir drehten eine Runde durchs Erdgeschoss, besichtigten eine Küche, die im Stil der Siebzigerjahre eingerichtet war. Lediglich der Herd mit Cerankochfeld war neueren Datums. Auch eine Spülmaschine gab es, die jedoch nicht zu funktionieren
Weitere Kostenlose Bücher