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Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Titel: Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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schien, denn in einem Abtropfgestell neben der Spüle standen einige saubere Teller, Tassen und Gläser. An dem billigen Tisch mit Chrombeinen standen nur drei Stühle. Stühle mit roten Kunstledersitzen, wie sie vor fünfzig Jahren aus der Mode gekommen waren.
    Auch das wegen der heruntergelassenen Rollläden dunkle Wohnzimmer versprühte den Charme vergangener Jahrzehnte. Es stank nach kaltem Zigarettenrauch und abgestandenem Bier. Ich drückte den Lichtschalter. Eine Deckenlampe mit bunten Stoffschirmchen sorgte für trübe Helligkeit. Das einzig Wertvolle in diesem Zimmer schien ein Flachbildfernseher von rekordverdächtigen Ausmaßen zu sein.
    »Die Blumen, gucken Sie mal!«, sagte der Kollege ehrfurchtsvoll. »Darf ich die Rollläden hochziehen, damit die nicht eingehen?«
    Nie zuvor hatte ich so große und stolz blühende Orchideen gesehen.
    »Diese Dinger sind so was von zimperlich«, sagte der andere, während er die schweren Holzlamellen am Gurt nach oben zerrte. »Hab’s auch mal eine Weile damit versucht. Aber wenn man die bloß mal schief anguckt oder zu laut hustet, schon fangen sie an zu kümmern.«
    Auf dem Couchtisch standen vier leere und eine halb volle Flasche Eichbaum Kellerbier, daneben zwei beinahe leer getrunkene Glaskrüge von Paulaner, an deren Rändern eingetrockneter Schaum klebte. Am Rand des Tischs stapelte sich eine beachtliche Sammlung Fußballzeitschriften, ein vier Wochen altes Exemplar des »Mannheimer Morgen« und ein auf acht Feldern ausgefüllter Lottoschein.
    »Stellen Sie sich vor, der hat vielleicht am Mittwoch sechs Richtige gehabt, und jetzt wird er es nicht mal mehr erfahren«, grübelte der Kollege.
    »Er war nicht allein hier«, stellte ich fest.
    »Nach einem Kampf sieht’s aber nicht aus, das müssen Sie zugeben.«
    Ich knipste das Licht wieder aus. Unter der Garderobe im Flur lag ein großer tannengrüner Knopf. Mein Begleiter bückte sich und hob ihn auf.
    »Könnte von einer Strickjacke stammen«, meinte er sachkundig. »Von einer grünen Strickjacke. So eine hat er nämlich angehabt.«
    »Können Sie auf die Schnelle rausfinden, ob da ein Knopf fehlt?«
    Bereitwillig zückte er sein Handy.
    Während er telefonierte, stieg ich die Treppe zum Obergeschoss hinauf, öffnete dort eine Tür nach der anderen. Das eiskalte Doppelzimmer mit dem verwaisten zweiten Bett. Der Hobbyraum, dessen Wände mit verglasten Kästen gepflastert waren, in denen Schmetterlinge und Käfer in allen denkbaren Größen und Farben ihre Pracht entfalteten. Das im Gegensatz zum ersten Raum hoffnungslos überheizte Gästezimmer mit zerwühltem Laken und zerknülltem Kissen. Im moosgrün gekachelten Bad eine kalkverkrustete Dusche, ein Duschvorhang voller Schimmelflecken, eine Badewanne, in die sich vor einer gründlichen Behandlung mit Scheuerpulver und Essigreiniger kein Mensch freiwillig gelegt hätte, ein dagegen halbwegs sauberes Waschbecken, in dem Spuren von Zahnpasta und einige kurz geschnittene graue Haare klebten.
    »Gucken Sie sich das mal an!«, rief der Kollege aus dem Schlafzimmer des toten Hausbesitzers.
    Er stand vor einem Nachttischchen aus Kirschbaumimitat und starrte in die Schublade. In der rechten Hand hielt er ein Tuch, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Ich zog einen der Latexhandschuhe über die rechte Hand, die ich für solche Anlässe immer in der Manteltasche hatte. In der Schublade befanden sich neben einigen Kondomen mit vermutlich längst abgelaufenem Haltbarkeitsdatum ein zerfleddertes Pornoheftchen im Format DIN A5, ein fleckiger Lappen, der sicherlich einmal Teil eines Feinrippunterhemds gewesen war, und eine Schachtel Pistolenmunition. Ich nahm sie heraus. Fünfzig Schuss stand auf der Packung. Sie war halb leer.
    »Neun Millimeter Makarov«, sagte der Kollege ehrfurchtsvoll. »Damit richtet man schon was aus.«
    »Die Frage ist, gibt es auch eine Waffe dazu?«
    Er wies auf die Schublade. »Auf dem Lappen da, das sind keine Wichsflecken.«
    Er hatte recht, es schienen Ölflecken zu sein. Ich legte die Munitionsschachtel zurück an ihren Platz und drückte meinen Rücken durch. »Wenn da eine Waffe war, dann weiß ich, wer sie jetzt hat. Was sagen eigentlich die Nachbarn?«
    »Nichts. Mit denen hat noch keiner geredet. Bis vor einer Stunde ist es ja noch ein Selbstmord gewesen. Wir haben gedacht, früher oder später tauchen Angehörige auf, die uns was über den Typ sagen können. Ob er depressiv gewesen ist, ob er getrunken hat oder Geldsorgen gehabt hat.

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