Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
nachzuhaken. Der Mann war trotz seiner Erschöpfung viel zu schlau, um sich in Widersprüche verwickeln zu lassen. Bevor ich nicht wenigstens etwas Ähnliches wie einen Beweis in Händen hatte, würde ich in diesem Punkt nicht weiterkommen.
Ich erhob mich. Graf öffnete die Augen, sah mich an, als hätte er mit dem Leben abgeschlossen. Sein Händedruck war kühl, schwach und trocken.
Zum Abschied lächelte er dann doch noch einmal sein berühmtes Samstagabendlächeln. »Ich fürchte, jetzt brauche ich ein wenig Ruhe. Es war ein anstrengendes Gespräch. Aber ich danke Ihnen trotzdem dafür. Jetzt ist mir wohler.«
38
Das erste Gespräch mit Patrick Wunderlich, dem früheren Soldaten, brachte kaum etwas Neues zutage. Ich hatte ihn in den Vernehmungsraum der Polizeidirektion bringen lassen, und dieses Mal war Klara Vangelis dabei.
»Wo ist Ihr Kollege?«, lautete meine erste Frage.
Die Fahndung nach Boll lief bereits seit der Nacht, war bisher allerdings erfolglos. Das machte mir jedoch keine Kopfschmerzen. Er hatte weder Zeit noch Gelegenheit gehabt, sein Untertauchen vorzubereiten. Er würde sich irgendwo mit Geld versorgen müssen. Er würde in Hotels seinen Ausweis zeigen müssen. Eine Frage von ein, zwei, maximal drei Tagen.
Wunderlich nahm im Sitzen Haltung an, als wäre er immer noch Soldat und ich sein Vorgesetzter. Sein Blick war unsicher, fast ängstlich.
»Das weiß ich leider nicht, Herr Gerlach. Herr Graf hat uns nach der Veranstaltung allein nach Heidelberg zurückgeschickt. Das hat uns ein wenig gewundert. Ich habe den Mercedes gefahren. Herr Boll hat seinen eigenen Wagen genommen und gesagt, er hätte noch etwas zu erledigen und würde später nachkommen. In Heidelberg bin ich dann gleich zu Bett gegangen. Erst als heute Nacht Ihre Kollegen an meine Tür geklopft haben, habe ich erfahren, dass er einen anderen Weg gewählt hat.«
»Sie können sich vorstellen, weshalb ich Sie beide gerne sprechen möchte?«
Der ehemalige Soldat nickte. »Diese Sache mit Hergarden. Ich war dabei. Aber ich habe nichts gemacht. Praktisch nichts gemacht habe ich.«
»Natürlich nicht.«
»Es war Herr Boll. Es war seine Idee. Mit Frau Opelt zusammen hat er das ausgeheckt. Wir wollten dem mal einen tüchtigen Schrecken einjagen. Mehr wollten wir nicht.«
»Woher wussten Sie überhaupt, wo er war? Wir haben tagelang nach ihm gesucht und ihn nicht gefunden.«
»Herr Boll hat gute Verbindungen. Er hatte ja schon vor Wochen mit Herrn Hergarden zu tun gehabt. Der war immer wieder aufgekreuzt und wollte Ärger machen. Und da hat Herr Boll dann Erkundigungen eingezogen. Herr Graf hat den Mann von früher gekannt und manches über ihn gewusst. Wo er aufgewachsen war und so weiter. Daher wussten wir bald, dass er einen Bruder in Mannheim hatte. Da lag die Vermutung nahe …« Er hob die kantigen Schultern, lächelte verkrampft.
»Und wie lief das Ganze ab?«
Wunderlich redete wie ein Wasserfall. Offenbar hatte ihm die Geschichte schwer zu schaffen gemacht. »Frau Opelt hatte uns ihren Wagen geliehen. Herr Boll mochte seinen eigenen nicht nehmen.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht. Er hat gesagt, damit fällt er vielleicht zu sehr auf. Wir haben geläutet, Hergarden hat uns die Tür geöffnet. Er war noch wach, obwohl schon fast Mitternacht war. In Pantoffeln und einer grünen Strickjacke hat er uns die Tür geöffnet …«
Der Rest war exakt so abgelaufen, wie ich es mir zusammengereimt hatte. Sie hatten den vermeintlichen Fred Hergarden in den Keller geschleppt, dort auf einen der Küchenstühle gefesselt, ihn angebrüllt, mit Fäusten bedroht, jedoch angeblich nicht mit Waffen. Und irgendwann war er plötzlich blass geworden und in sich zusammengesackt.
»Herr Boll hat vorgeschlagen, den Leichnam verschwinden zu lassen. Ich war nur dabei, sozusagen. Das war nicht richtig, das ist mir klar. Das war ein Verbrechen. Ich bin bereit …«
»Sie haben also ausschließlich auf Bolls Anweisungen gehandelt?«
»Das war dumm von mir, ich weiß.« Wieder das militärisch knappe Nicken. »Herr Boll hat den Mann angebrüllt. Dass er Herrn Graf endlich in Ruhe lassen soll. Dass wir wissen, dass er Herrn Graf mit dem Messer angegriffen hat, und dass er froh sein soll, dass wir nicht zur Polizei gehen. Das konnten wir natürlich nicht, zur Polizei gehen.«
»Warum nicht?«
»Weil Herr Graf es uns ausdrücklich verboten hat. Er wollte nichts mit der Polizei zu tun haben. Und Herr Boll hat auch gesagt, das hat keinen Sinn.
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