Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
nicht lassen, auch wenn Sie von der Polizei sind. Ein Stück die Straße runter liegt das Hotel Heidelberger Tor. Da können Sie warten. Und was zu essen kriegen Sie auch. Vielleicht sitzt er ja zufällig da und isst zu Abend?«
»Rufen Sie mich an, wenn er wieder auftaucht?«
Nur widerstrebend nahm sie meine Visitenkarte entgegen, versprach dann aber doch, sich zu melden. Ich verließ das gastliche Haus, ging die Straße hinunter bis zu dem Hotel, das sie mir genannt hatte. Im Erdgeschoss gab es ein kleines Restaurant, das um diese Uhrzeit noch fast leer war. Ich wählte einen Tisch am Fenster, von dem ich die Straße im Auge behalten konnte. Die Coca-Cola-Uhr über der Theke zeigte halb sechs, und draußen war es schon wieder dunkel geworden. Ausnahmsweise regnete es nicht. Einige bunte Luftschlangen an den Lampen taten kund, dass demnächst die närrische Zeit begann, aus Sicht der Polizei die Hochsaison der Schlägereien und Alkoholvergiftungen. Ich bestellte mir einen Pfefferminztee.
Um halb sieben war etwa die Hälfte der Tische besetzt. Die meisten der Gäste schienen sich und das Personal zu kennen. Die beiden Bedienungen, die sich so ähnlich sahen, dass sie Schwestern hätten sein können, hatten gut zu tun. Ständig wurde Bier und Wein und Essen bestellt. In der Küche wurde tüchtig geklappert und geschimpft. Im Gastraum herrschte ordentliche Fröhlichkeit.
Um halb acht war es richtig voll geworden, und ich bestellte mir nun doch etwas zu essen, nachdem die Bedienung zum dritten Mal und zunehmend besorgt gefragt hatte, ob ich denn wirklich gar keinen Hunger hätte.
»Einen Straßburger Wurstsalat bitte.«
»Vielleicht ein Bierchen dazu?«
»Nein, danke.«
»Ein Viertele von unserem Hauswein? Wir haben einen Lützelsachsener Grauburgunder aus biologischem …«
»Noch einen Pfefferminztee bitte.«
Sie notierte meine Bestellung mit gerunzelter Stirn und fand die Kombination offenbar befremdlich.
Ab acht wurde es allmählich wieder ruhiger. Der Wurstsalat war gut gewesen, und durch meine Phantasie geisterte jetzt immer öfter das Bild eines gut gekühlten Glases Lützelsachsener Grauburgunder aus biologischem Anbau. Ungefähr hundert Mal hatte ich schon überprüft, ob mein Handy funktionierte, ob es genug Strom und ausreichend Empfang hatte.
Um kurz vor neun bestellte ich mir ein Viertel vom Hauswein.
Um halb zehn sah ich endlich Fred Hergarden die Straße hinaufwanken. Ich erkannte ihn schon, als er noch im Schatten zwischen zwei Straßenlaternen war, an den schlackernden Bewegungen der langen Arme und Beine. Groß war er und ungewöhnlich hager. Und Sönnchen hatte wieder einmal recht gehabt: Er hielt sich schlecht. Der Kopf hing an seinem krummen Rücken. Als er ins Licht der nächsten Laterne trat, erkannte ich auch die zerschlissene Jeans, die schwarze Lederjacke ohne Ärmel. Hergarden schien wirklich betrunken zu sein. Ich winkte der Bedienung und bat um die Rechnung.
Als ich in die kalte Winterluft hinaustrat, sah ich Hergarden gerade in den Vorgarten des Ehepaars Häusler abbiegen. Kurze Zeit später begann mein Handy aufgeregt zu vibrieren.
»Jetzt ist er da«, raunte die Vermieterin. »Er ist oben.«
Eine halbe Minute später stand ich selbst vor der Haustür, die sich ganz von allein öffnete.
»Er ist in seinem Zimmer«, flüsterte die steuerehrliche Vermieterin mit konspirativem Blick zur Decke. »Treppe rauf, die erste Tür rechts.«
Ich stieg die schmale, auf manchen Stufen knarrende Treppe hinauf und klopfte an die Tür, hinter der es keuchte und rumpelte. Fred Hergarden öffnete, starrte mich zwei Sekunden lang argwöhnisch und ein wenig kurzsichtig an. Sein Mundgeruch schlug mir entgegen. Ich zwang mir ein Lächeln ab.
»Ach, Sie sind das«, sagte er, als hätte er seit Tagen mit meinem Kommen gerechnet. »Haben Sie es sich doch noch überlegt?«
»Darf ich reinkommen?«
»Wird sich wohl nicht vermeiden lassen.« Er lachte trocken, hustete.
»Sie wollten mich sprechen«, versetzte ich leicht verärgert. »Nicht umgekehrt.«
Ich schloss die gut geölte Tür hinter mir. Das Zimmer war winzig, bot gerade Platz für ein schmales Bett, einen Schrank, ein Tischchen am Fenster und zwei billige Stühle. Die Wände waren nachlässig mit Raufaser tapeziert und matschgrau gestrichen. Früher war es vermutlich ein Kinderzimmer gewesen.
Hergarden deutete auf einen der Stühle, sank ächzend auf sein Bett, das quietschend protestierte. Die Lederjacke hatte er noch an.
»Was
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