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Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Titel: Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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den Füßen riss.
    »Was für ein Kackjob!«, schimpfte Balke, als der Zug vorbei war und er seine Kapuze wieder loslassen konnte.
    Fred Hergardens Körper war durch den Zusammenprall mit dem Güterzug so stark verunstaltet, hatte ich inzwischen erfahren, dass etwaige Anzeichen von Fremdeinwirkung kaum noch nachzuweisen sein würden. Falls es auf dem Gleisbett Blutspuren geben sollte, dann hatte der Schnee sie gnädig verdeckt.
    »Wann genau hat es angefangen zu schneien?«
    Balke sah mit schmalen Augen um sich. »Erst hat es nur geregnet. Ungefähr ab sechs hat es dann zunehmend geschneit. Richtig übel ist es erst nach Mitternacht geworden, als der Schnee …«
    Er stockte, bückte sich, blies den lockeren Schnee von etwas, das einen Meter neben den Gleisen in einem flachen Graben lag. »Sehen Sie mal«, sagte er dann.
    Ich sah einen Schuh. Einen Männerschuh. Einen schwarzen Slipper aus festem Leder. Wie es aussah, schon einige Jährchen alt und häufig getragen.
    »Der liegt noch nicht lange hier«, meinte mein aufmerksamer Mitarbeiter und begann, mit der bloßen Hand den Schnee rund um das Fundstück zur Seite zu schieben. »Wäre er gestern Abend schon hier gewesen, wäre er nämlich festgefroren.« Unter dem Schnee kam eine dünne, vereiste Schicht zum Vorschein.
    »Wie ist Hergarden hergekommen?« Ich sah um mich. »Mit einem Auto offenbar nicht. Sonst müsste hier irgendwo eines stehen.«
    Balke richtete sich auf, rückte seine Kapuze zurecht, um die ich ihn inzwischen heftig beneidete. »Vielleicht hatte er sich ein Zimmer in Neulußheim genommen? War aufgewühlt? Konnte nicht einschlafen?«
    »Und macht einen zwei Kilometer langen Nachtspaziergang im Schneeregen?«
    »Hergarden hatte keine Übung darin, Leute abzustechen, nehme ich an. So was kann auch härtere Typen um den Schlaf bringen. Vielleicht wollte er sich abreagieren. Müde laufen. Ihm war klar, dass wir ihn früher oder später schnappen würden. Im Radio hatte er gehört, dass Graf den Anschlag überlebt hat. Und dann …«
    Und dann hatte ihn die Sinnlosigkeit seines Daseins überwältigt?
    Noch während er sprach, hatte Balke sein iPhone gezückt und begonnen, aus verschiedenen Perspektiven Fotos von dem einsamen schwarzen Schuh zu knipsen. Für die letzte Aufnahme kniete er sich sogar heldenhaft in den Schnee. Bevor er den Auslöser drückte, zögerte er, sagte: »Ups!«, und steckte eilig das Handy ein. Er beugte sich so weit vor, dass seine Nase fast den gefrorenen Boden berührte.
    »Sehen Sie sich das mal an!«
    Obwohl ich wenig Lust dazu verspürte, kniete ich mich ebenfalls nieder – man kann sich als Chef ja vor seinen Leuten keine Blöße geben. Dann sah ich es auch: den Abdruck einer groben Sohle in der Eisschicht, ungefähr zehn Zentimeter von dem verlorenen Schuh entfernt. Schuh und Abdruck passten nicht zusammen. Die Sohle des verlorenen Slippers war so glatt wie die der Halbschuhe, in denen meine inzwischen tiefgefrorenen Füße steckten.
    »Größe dreiundvierzig«, schätzte Balke mit krauser Stirn. »Höchstens vierundvierzig. Der Slipper ist siebenundvierzig.« Er sprang auf und rieb sich die Hände. Bei mir dauerte es ein wenig länger, bis ich wieder in der Senkrechten war. Inzwischen fühlten meine Ohren sich an, als würden sie zersplittern, wenn man sie unsanft berührte.
    »Hergarden hat große Füße gehabt«, sagte ich langsam. »Das ist mir schon beim ersten Gespräch aufgefallen.«
    Ich zog mein Handy aus der Innentasche meines Mantels und wählte mit steifen Fingern die Nummer des Gerichtsmedizinischen Instituts der Universität Heidelberg. Die Assistentin, die ich dort erreichte, war zum Glück mit einem flinken Verstand gesegnet und außerdem keine Freundin komplizierter Amtswege. Rasch war geklärt, dass der verlorene Schuh von Fred Hergardens rechtem Fuß stammte.
    »Er war nicht allein«, sprach ich aus, was wir beide längst dachten.
    »Und den Schuh hat er nicht verloren, als die Lok ihn erfasst hat, sondern als man ihn auf die Gleise geschleppt hat«, ergänzte Balke.
    »Einen erwachsenen Mann trägt man nicht kilometerweit«, überlegte ich laut. Wie viel mochte Hergarden gewogen haben? Achtzig Kilo? Er war nicht dick gewesen, aber ziemlich groß. »Irgendwo in der Nähe müssten Spuren von Autoreifen zu finden sein.«
    Aus Richtung Süden rumpelte ein langer Güterzug heran und machte für einige Sekunden jedes Gespräch unmöglich. Balke machte mehr aus Langeweile noch einige Aufnahmen von dem

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