Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
Ein grimmiges Lächeln breitete sich auf Logans Zügen aus. Es ging natürlich nicht an, dass man vor den Augen des gemeinen Volks menschliche Reaktionen zeigte.
Insch stieß sich von der Spüle ab und zog Handschellen aus der Tasche. »Los, Philips. Aufstehen.«
Logan stand schweigend daneben, als Insch der abgerissenen Gestalt ihre Rechte vorlas und ihr mit den Handschellen die Hände hinter den Rücken band. Dann zerrte er Roadkill aus der Küche und hinaus in den Schnee.
Logan blieb allein zurück. Rasch blies er die Kerzen aus und folgte ihnen nach draußen.
21
Diesmal war Roadkills »geeignete erwachsene Person« ein abgespannt wirkender Mann von Anfang fünfzig mit schütterem Haupthaar und einem lächerlichen kleinen Schnauzbart. Lloyd Turner, ein ehemaliger Lehrer an der Hazlehead Academy, der vor kurzem seine Frau verloren hatte und deshalb froh war um jede Abwechslung in seinem einsamen Witwerdasein. Er saß am Tisch neben Bernard Duncan Philips und sah in die finsteren Gesichter von Detective Inspector Insch und DS Logan McRae.
Das kleine Zimmer roch. Es war nicht das übliche unerklärliche Käsefußaroma, sondern der Gestank nach altem Schweiß und verwesenden Kadavern, den Roadkill ausströmte. Die blauen Flecken, die Logan schon vom Vortag kannte, waren voll erblüht. Dunkellila und grün überwucherten sie das Gesicht des Untersuchungsgefangenen und verloren sich irgendwo in seinen verfilzten Barthaaren. Seine Hände fuchtelten auf der Tischplatte herum, die Haut schmutzverkrustet, die Nägel schwarz. Das einzig Saubere an ihm war der weiße Overall, den die Kriminaltechniker ihm spendiert hatten, nachdem sie ihm die Kleider abgenommen hatten, um sie auf Spuren zu untersuchen.
Logan und Insch hatten sich schon drei Stunden lang abgemüht und waren keinen Millimeter weitergekommen. Das Einzige, was sie Roadkill entlocken konnten, war, dass jemand ihm all seine kostbaren toten Geschöpfe gestohlen habe. Sie hatten es auf die nette Tour versucht, und sie hatten es auf die fiese Tour versucht. Sie hatten den Ex-Lehrer mit dem Schnurrbart gebeten, auf Roadkill einzureden, ihm den Ernst der Situation klarzumachen. Nichts.
DI Insch kippte seinen Stuhl nach hinten, bis die Plastiklehne knarrte. »Na schön«, sagte er mit einem Seufzer. »Jetzt versuchen wir es noch mal ganz von vorne, ja?«
Logan verzog das Gesicht, der Ex-Lehrer ebenfalls. Nur Roadkill summte ungerührt weiter sein gottverdammtes »O bleibe Herr«. Es raubte Logan langsam, aber sicher den Verstand.
Der Ex-Lehrer hob die Hand. »Entschuldigen Sie, Inspector. Ganz offensichtlich ist Bernard nicht in der Verfassung, ein Verhör über sich ergehen zu lassen.« Er warf einen Seitenblick auf den streng riechenden Mann an seiner Seite. »Sein psychischer Zustand ist ausreichend dokumentiert. Man sollte ihm helfen, anstatt ihn einfach wegzusperren.«
Insch ließ seinen Stuhl krachend nach vorn kippen. »Und die kleinen Kinder, die da unten in der Leichenhalle liegen, sollten gesund und munter und zu Hause bei ihren Eltern sein, und nicht abgeschlachtet von einem perversen Irren!« Er verschränkte die Arme, was die Nähte seines Hemds einer harten Belastungsprobe aussetzte, und brachte seine ganze beeindruckende Leibesfülle zur Geltung. »Ich will wissen, wo Peter Lumley ist, und wie viele kleine Kinder Ihr Bernard noch auf dem Gewissen hat!«
»Inspector, ich verstehe ja, dass Sie nur Ihre Pflicht tun, aber in seinem gegenwärtigen Zustand ist Bernard einfach nicht in der Lage, Ihre Fragen zu beantworten. Sehen Sie ihn sich doch an!«
Das taten sie. Seine Hände waren wie zwei verletzte Vögel, die hilflos auf der Tischplatte umherflatterten. Sein Blick war leer und abwesend. Er saß hier mit ihnen im Zimmer, aber in Wirklichkeit war er ganz woanders.
Logan warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Zwanzig nach sieben. Gestern Abend hatte Roadkill sogar noch früher nach seiner Medizin zu fragen begonnen. »Sir«, sagte er zu Insch, »kann ich Sie mal kurz unter vier Augen sprechen?«
Sie gingen über den Flur zum Kaffeeautomaten, vorbei an einer Phalanx neugieriger Gesichter. Es hatte sich im ganzen Präsidium herumgesprochen, im Radio hatten sie es gemeldet und vermutlich auch schon in den Abendnachrichten des Fernsehens. Der Kindermörder von Aberdeen war hinter Gittern. Jetzt mussten sie ihn nur noch zum Reden bringen.
»Wo drückt Sie der Schuh, Sergeant?«, fragte Insch, während er die Taste für Kaffee mit Milch und extra
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