Die Ehre der MacLaughlins (German Edition)
ja, und dann müssen
wir noch nach den Informationen suchen, um die Robin uns gebeten hat.“
„Aye,
aber zuerst müssen wir etwas essen“, warf Ewan ein. „Seit der Mahlzeit bei
Brigid ist eine Ewigkeit vergangen.“
„Bevor
wir kein Geld haben, können wir nichts zu essen kaufen“, überlegte Joan laut,
denn auch ihr Magen fühlte sich inzwischen hohl an. „Es ist gar nicht so
einfach, im einundzwanzigsten Jahrhundert ohne Geld zu leben. Hier gibt es
leider keine Tauschgeschäfte mehr.“
Schließlich
erreichten sie eine breite Straße, die direkt nach Edinburgh führte, wie ein
grünes Hinweisschild mitteilte. Der Verkehr erschreckte Ewan – aber das gab er
natürlich nicht zu. Schließlich hatte er versprochen, Joan zu beschützen, und
sie sollte nicht denken, dass er ein Waschlappen war.
„Ziemlich
laut, aye?“, sagte er laut. „Müssen wir denn unbedingt direkt neben dieser
Straße laufen?“
Joan
nickte. „So kommen wir am schnellsten voran.“ Noch hatte sie sich nicht richtig
an den Anblick der seltsamen langgestreckten neumodischen Autos gewöhnt, die
mit ihren fließenden Formen allesamt an Sportwagen erinnerten.
Sie
erreichten die ersten Häuser von Edinburgh, und mit ihnen die ersten Passanten.
Joan spürte, dass sich etwas Grundsätzliches verändert hatte.
„Merkst
du etwas?“, fragte sie Ewan, der sich nach wie vor dicht neben ihr befand.
„Irgendetwas muss nach meiner letzten Zeitreise passiert sein.“
Ewan,
der keinen direkten Vergleich hatte, verneinte. „Ich weiß nur, dass es mir hier
nicht gefällt und ich froh bin, wenn wir wieder in den Brunnen steigen können.“
Sie
wies unauffällig erst auf die Häuser, dann auf einige Fußgänger. „Schau dir mal
die Häuser an, sie wirken eigenartig ... verwahrlost und viele stehen leer.“
Ewan
zuckte mit den Achseln. „Wahrscheinlich haben sich die Besitzer woanders etwas
Größeres gebaut. Hatte ich schon erwähnt, dass mich diese verflixte Hose im
Schritt kneift?“
„Hattest
du.“ Sie lächelte ihm aufmunternd zu. „Es gibt Männer, denen können die Hosen
nicht eng genug sein.“
„Wozu?“
„Nun,
damit die Frauen so viel wie möglich von ihrem Körper sehen können“, gab sie
amüsiert zurück, als sie Ewans verständnislosen Blick sah. „Die Menschen und
deren Geschmäcker werden sich im Laufe der Jahrhunderte verändern.“ Dann wurde
sie wieder ernst. „Die Leute, die uns bisher begegnet sind, gefallen mir
nicht.“
„Was
meinst du?“ Er sah sich um, doch das Einzige, was ihm nicht gefiel, war die für
seinen Geschmack merkwürdige Bekleidung.
„Sie
sehen alle so resigniert und ärmlich aus, als hätten sie keine Lebensfreude
mehr.“
Sie
gingen weiter, und allmählich schmerzten ihre Füße. Auch in der Innenstadt bot
sich ihnen ein ähnliches Bild – heruntergekommene Häuser, geschlossene
Geschäfte und überall auf den Straßen Bettler. Auch Joan war diese Welt fremd
geworden; dennoch wollte sie herausfinden, was mit der Stadt geschehen war.
Nach
stundenlangen Irrungen durch die City standen sie dann endlich vor der Filiale
der Bank of Alba, die trotz der frühen Abendstunde sogar noch geöffnet
hatte.
Beherzt
trat Joan ein, während Ewan es vorzog, vor der Tür des gewaltigen Gebäudes zu
warten. Unsicher trat Joan an den meterlangen Schalter, denn sie war die
einzige Kundin.
Diensteifrig
eilte ein vornehm wirkender Angestellte herbei und fragte Joan höflich nach
ihren Wünschen. Sie schob ihm Robins Bankkarte sowie seine Vollmacht über den
Tresen.
„Mr
Lamont ist leider krank, deshalb hat er mich, seine Nichte, geschickt. Mein
Onkel möchte einen Teil seines Goldes verkaufen.“
Aufmerksam
studierte der Mann Karte und Dokument, und Joan befürchtete bereits, dass er
ihren Ausweis sehen wollte, doch dann nickte der Angestellte und sagte: „Ihr
Onkel hat recht daran getan, damals sein Geld in Gold anzulegen, denn ansonsten
wäre er jetzt bettelarm – so wie die meisten Menschen heutzutage.“
„Wie
meinen Sie das?“, entfuhr es Joan, bereute ihre voreilige Frage jedoch sofort,
als sie den verduzten Gesichtsausdruck ihres Gegenübers bemerkte.
„Junge
Frau, ich rede von der weltweiten Inflation 2015. Sehen Sie sich um – alles
geht zugrunde, und es wird noch Jahrzehnte dauern, bis sich die Welt von dieser
Wirtschaftskrise erholt hat. Wo man nur hinsieht, herrscht Elend und
Arbeitslosigkeit. Wie viele Goldbarren möchte Ihr Herr Onkel denn veräußern?“
Verwirrt
über diese
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