Die Einheit: Thriller (Tokio Killer) (German Edition)
Seite nach außen um beide Hände, dann klopfte ich den Boden unter und um Shorrock herum damit ab. Das Reinigungspersonal des Wynn musste aus Vollprofis bestehen, denn es blieben nur ein paar Fussel und Schamhaare daran hängen. Ich konnte nicht wissen, ob irgendetwas davon von mir stammte, aber ich ging auf Nummer sicher. Ich drehte Shorrock um und klopfte seinen Rücken auf dieselbe Art an der Stelle ab, wo ich mein Gesicht dagegen gedrückt hatte. Noch ein paar Haare, vermutlich von ihm. Aber das war jetzt nur noch eine akademische Frage. Ich wickelte das Tape vorsichtig über der Toilette ab, knüllte es zusammen und steckte es ein. Dann ließ ich die Spülung laufen und schwemmtealle unsichtbaren Teilchen weg, die vielleicht hineingefallen waren.
Damit war ich beinahe fertig. Ich legte eine kurze Pause ein, um nachzudenken und meine mentale Checkliste abzuhaken. Alles in Ordnung. Blieb nur noch eines zu tun.
Ich öffnete Shorrocks Gürtel, zog ihm Hose und Unterhose bis auf die Knöchel herunter und zerrte ihn in sitzende Position auf die Toilette. Dann trat ich zurück und hielt ihn mit ausgestrecktem Arm so lange wie möglich aufrecht. Als ich den Arm wegzog, sackte Shorrock nach rechts vorne und landete mit dem Gesicht nach unten neben der Toilette. Ich wusste, dass ich weder auf seinem Gesicht noch sonst wo irgendwelche Verletzungen hinterlassen hatte, aber selbst wenn, hätte der Sturz von der Toilette die passende Erklärung dazu geliefert. Was die Todesursache selbst anging, es würde nach einem Herzleiden aussehen – verkalkte Rohre oder eine elektrische Fehlzündung. Möglicherweise kam es zu einer Autopsie: Dafür war er prominent genug und es war schon eine seltsame Ironie, wenn ein derart fitnessbesessener Mann plötzlich an einem Herzanfall starb. Aber nachdem sie an der Leiche nichts finden konnten, würden die Doktores sich weise übers Kinn streichen und über das Brugada-Syndrom oder Long-QT-Syndrom spekulieren, vielleicht mögliche Anomalien in den Natriumund Kaliumkanälen und letale Arrhythmien ins Spiel bringen, die mit der Zerstörungskraft und Unberechenbarkeit von Tsunamis zuschlugen. Und das alles in jenem getragenen Tonfall, der einmal die Domäne der Mönche gewesen war, wenn sie das Mysterium des göttlichen Willens erörterten.
Ich fasste die Oberkante der marmornen Trennwand zwischen den Kabinen und lauschte einen Moment lang angespannt. Nichts. Ich zog mich hoch, schwang mich hinüber und ließ mich in der angrenzenden Kabine herunter. Ich hörte jemanden hereinkommen, daher schob ich den Riegel vor, warteteund nutzte den Aufschub, um meine mentale Checkliste ein letztes Mal durchzugehen und sicherzustellen, dass ich nichts übersehen hatte. Als der andere Gast hinausging, folgte ich ihm und steckte unterwegs die Handschuhe ein.
Ich sah Dox an einem Spielautomaten sitzen, von dem aus er die Tür zur Toilette im Auge hatte, und neigte den Kopf, um ihm zu signalisieren, dass die Sache erledigt war. Larison und Treven würden wir erst unterwegs informieren, um einen Vorsprung zu haben. Aber keiner von den beiden musste erfahren, dass ich das Zyanid nicht gebraucht hatte. Ebenso wenig wie Horton. Mir ist es lieber, die Leute wissen nicht so genau, was ich mit bloßen Händen anrichten kann. Das macht es leichter, ihnen dasselbe anzutun, sollte es nötig sein.
Wir hatten bei diesem Job ziemlich viel Pech gehabt. Knapp daneben ist eben auch daneben. Aber am Ende hatte doch alles funktioniert. Ein perfekter, natürlich aussehender Tod für Shorrock, eine saubere Flucht, ein außergewöhnlicher Zahltag. Und ausnahmsweise würde es vielleicht sogar dem Allgemeinwohl dienen. Insgesamt konnte man sich nicht beschweren.
Schon das allein hätte mir sagen sollen, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte.
Kapitel
Elf
Larison und Treven fuhren auf der Interstate 15 durch die Wüste, während hinter ihnen die Sonne aufging. Larison hatte vor zwei Stunden von Rain und Dox erfahren, dass der Job erledigt war und sie sich auf dem Rückweg nach Los Angeles befanden.
Rain hatte nur vage Andeutungen gemacht, wie und wann er Shorrock erledigt hatte, und Larison wurde das Gefühl nicht los, dass seine Zurückhaltung nicht nur an Sicherheitsbedenken wegen der Telefonverbindung lag. Rain hatte auch verschleiern wollen, dass er damit gewartet hatte, Larison und Treven zu informieren, damit er und Dox beim Verlassen der Stadt einen Vorsprung hatten. Das verstand Larison. Er hätte es genauso
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