Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
keine zehn Jahre alt!«
Cassidy musste im Angesicht seiner Verwunderung plötzlich losprusten, hielt sich aber sofort die Hand vor den Mund und sah sich schuldbewusst um. Zum Glück hatte wohl niemand von ihrem Gefühlsausbruch Notiz genommen.
»Nein. Ich hab drei Wochen lang trainiert und gelernt, um auf die Suche nach dir gehen zu können!«
Caiden senkte beschämt den Kopf. Er fühlte sich schuldig. Eigentlich wollte er alle Gefahren auf sich nehmen, um seine Schwester zu retten, stattdessen schien sie von einem Abenteuer ins nächste geschlittert zu sein. Zumindest hatten sich ihre gemeinsamen Ausflüge in die Steppe als fruchtbarer Nährboden für das Rangertraining erwiesen.
»Hat William den Angriff überlebt?«, fragte Cassidy und versuchte es so beiläufig wie möglich klingen zu lassen. Eine wirkliche Beziehung hatte es zwischen ihnen nie gegeben. Zum einen wollte der sieben Jahre ältere Jäger seine Freundschaft mit Caiden nicht für ein Mädchen riskieren, zum anderen nahm ihr Bruder kein Blatt vor den Mund, wenn er klarstellte, dass jedwede Kränkung seiner Schwester äußerst gesundheitsgefährdend sein würde. Caiden wusste natürlich von ihrer Schwäche für den talentierten Fährtenleser, der sie beide mehr als einmal vor dem Hungertod bewahrt hatte. Umso schwerer fiel es ihm zu sagen, dass William zu einer Gruppe Sklaven gehört hatte, die als Verstärkung zu den nördlichsten Vulture-Lagern entsandt und damit die ersten Opfer der Sicarii geworden waren. Cassidy starrte bedrückt auf den braunen Boden ihrer faustgroßen Kaffeetasse. Wirklich überraschen tat sie die traurige Nachricht nicht und doch fühlte sie sich, als wäre gerade ein kleiner Teil ihres jungen Herzens gestorben.
»Sag mir nur eins: Wollt ihr euch uns anschließen, oder fallt ihr uns bei der erstbesten Gelegenheit in den Rücken?«, fragte sie ernst. In Gedanken versunken blickte Caiden seiner Schwester tief in ihre saphirblauen Augen.
»Dog hält sein Wort. Er hat es immer getan.«
»Und du?«
Nun wechselte der verträumte Blick in einen beleidigten Gesichtsausdruck. Hatte sie wirklich gerade seine Loyalität ihr gegenüber in Frage gestellt? Erst ein sarkastisches Schmunzeln auf ihren spröden Lippen löste die Situation im letzten Moment friedlich. Gemeinsam umarmten sie sich über den Ruinen ihres Dorfes, mit dem Mond als stummen Zeugen ihrer glücklichen Wiedervereinigung, an die vor wenigen Tagen noch niemand zu glauben gewagt hatte.
***
»Tja, ich denke, nun hast du keine Wahl mehr!«, flüsterte Angel triumphierend. Sie lag zusammen mit Dog neben dem Anhänger des Sattelschleppers und sah den beiden Geschwistern aufmerksam zu. Als ihr Freund nicht sofort antwortete, stieß sie ihm den linken Ellenbogen in die Rippen.
»Ja doch! Ja verdammt, ich bin dabei! Hör auf, mich zu schlagen!«, stöhnte der Hüne schmerzerfüllt. Er hatte ohnehin kaum schlafen können und drehte sich zu seiner schadenfroh blinzelnden Freundin um. »Wo wir schon mal darüber reden, ich hab Eric seine letzten Zigarren geklaut, bevor wir losgefahren sind. Eigentlich wollte ich sie an meine Leute verteilen, ehe wir in unser finales Gefecht ziehen, aber das hast du mir ja gründlich verdorben!«
Angel dachte einen Augenblick über seine Worte nach. Tabakprodukte waren gut zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch sehr selten geworden. Monroe kaute manchmal wochenlang auf demselben Glimmstängel herum, bis er sich erlaubte, sie wirklich zu rauchen. Auch Dog musste unvermittelt an den qualmenden General denken, wie Frank in der Steppe scherzhaft genannt wurde. Insgeheim führte er mit Eric einen Privatkrieg um die letzten Tabakvorräte der Wastelands und Angel hielt die Zigarrenschachtel seines Erzfeindes für ein würdiges Einstandsgeschenk, da er sich sonst weder Laster noch Luxus gönnte. Die restliche Nacht verlief angenehm ruhig. Keine zufälligen Sprengungen, keine Überfälle oder sonstigen Störungen. Cassidy schickte ihren Bruder ins Bett und lief ihre Runden gemeinsam mit Scott.
Mit den ersten Sonnenstrahlen erwachte das Camp zu neuem Leben. Angel und Dog trieben die Leute zur Eile an, da sich Johnnys und Mitchs Zustand stark verschlechtert hatten. Kim überredete sie, ohne Pause bis nach Silver Valley durchzufahren, eine Strecke, für die man normalerweise zwei Tage benötigte. Es gab für jeden einen Becher Wasser. Die Reste des Fleisches vom Abend wurden verteilt und bereits eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang setzte sich der
Weitere Kostenlose Bücher