Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Scherze – was eine kluge Ehefrau sicherlich tun würde. Eine kluge Ehefrau bedachte auch die Scherze ihres Mannes nicht mit dem stets gleichen leidenden, herablassenden Lächeln.
Allerdings musste er zugeben, dass Katherine durchaus auch ihre Vorzüge hatte, worauf hinzuweisen ihre Anhänger nicht müde wurden. Sie war intelligent und sehr belesen – eine glühende Verfechterin der neuen Gelehrsamkeit, die sich in den letzten Jahren in den Universitäten entwickelt hatte. Sie konnte sich im theologischen und politischen Disput sogar gegen den großen Thomas More behaupten. Zudem war offensichtlich, dass sie ihren Ehemann geradezu vergötterte. Sie sah sogar über einen gelegentlichen Seitensprung wie jenen mit Mary Boleyn, Anne Boleyns Schwester, hinweg und verbrachte noch mehr Stunden kniend und betete für ihn. Irgendwie war es für einen Mann ernüchternd zu wissen, dass seine Frau für ihn betete, während er einem gewissen männlichen »Sport« nachging.
Bei seinem Besuch heute Morgen hatte er sie wieder einmal auf Knien angetroffen und sie bewusst mit »Schwägerin« begrüßt.
»Ich bin Königin Katherine, Frau von Heinrich VIII., dem König von England«, hatte sie mit ihrem starken spanischen Akzent erwidert, ohne aufzublicken. »Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.«
»Du bist nicht meine rechtmäßige Ehefrau, Katherine. Und das warst du auch nie. Du bist die Frau meines Bruders.«
»Wie kommt Ihr dazu, so etwas zu sagen, Euer Majestät, wo wir doch vor Gott und dem Erzbischof die Ehe geschlossen haben. Auch der Gerichtshof im Black Friars hat unsere Ehe für rechtmäßig erklärt.«
»Du hast das Gericht mit deinem bemitleidenswerten Schauspiel beeinflusst. Eine Königin, die wie eine gewöhnliche Bettlerin auf Knien rutscht.«
»Dann entsprach Eure Versicherung der Liebe in Gegenwart des Gerichts also nicht der Wahrheit?«
Sie sah ihn bei diesen Worten noch immer nicht an, sondern hielt ihren Blick fest auf ihr Gebetsbuch gerichtet, den juwelengeschmückten Einband studierend, so als könnte sie dort die Antwort finden. Ihre Hände, die das Stundenbuch hielten, zitterten. Er spürte eine Woge des Mitleids in sich aufsteigen. Seufzend wandte er den Blick ab.
»Wahrheit oder Lüge. Das spielt keine Rolle. Du warst mit Arthur verheiratet, Katherine. Die Ehe meines Bruders wurde auf Wunsch meines Vaters annulliert. Sie hätte jedoch niemals annulliert werden dürfen, genauso wie wir niemals hätten heiraten dürfen.«
»Meine Ehe mit Eurem Bruder wurde annulliert, weil sie niemals vollzogen worden war. Ihr, mein König, seid der einzige Ehemann, den ich je hatte und den ich je haben werde.«
Tränen schossen ihr bei diesen Worten in die Augen und liefen über ihre Wangen, große Tropfen, die wie schimmernde Juwelen aussahen. Er hatte einmal ein Porträt aus Flandern mit solchen Tränen gesehen.
Er konnte sie nicht länger anschauen und richtete seinen Blick auf die Gestalt des sterbenden Christus, der über ihrem Kopf hing.
»Wodurch, Mylord, habe ich Euch enttäuscht? Habe ich England nicht treu gedient?« Ihre Stimme klang tränenerstickt und belegt. »Habt Ihr etwa schon den triumphalen Sieg über die Schotten bei Flodden vergessen? Habt Ihr vergessen, wie stolz Ihr gewesen seid, als ich Euch den Plaid des schottischen Königs, befleckt mit seinem eigenen Blut, aus dem Heerlager schicken ließ? Hat eine solche Ehefrau, eine solche Königin, nicht Besseres verdient? War ich Euch nicht immer eine liebende und treue Königin?«
Natürlich hatte sie recht. Allerdings fragte er sich manchmal, ob ihre Loyalität gegenüber Spanien nicht größer war als gegenüber England. Ferdinand konnte keinen besseren Spion am Hofe Englands haben. Aber das sagte er ihr nicht. Schließlich hatte er dafür keinen Beweis.
Sie schniefte laut, und er bemerkte, dass sich plötzlich ihre Schultern versteiften, auch wenn ihr Kopf noch immer gesenkt war, so als versuchte sie Mut zu fassen. »Der Papst wird diese Ehe nicht annullieren. Er wird Eure Tochter niemals zum Bastard machen«, sagte sie schließlich. »Wenn mein Ehemann meine Ehre nicht beschützen will, so wird Gott es tun. Ihr seid unter einen bösen Bann geraten. Gott selbst wird Euch mir zurückgeben, oder Ihr werdet Euren Thron verlieren. So wurde es prophezeit. Unsere Tochter wird binnen weniger Monate herrschen, wenn Ihr Anne Boleyn zu Eurer Frau macht.«
»Wo hast du solch verräterisches Gerede gehört?«
»Das haben mir
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