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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Frau Stabilität.
    Julia würde dies auch noch einsehen, trösteten sie sich gegenseitig. Und in der Zwischenzeit begnügten sie sich damit, stolz auf ihre Tochter zu sein, die es zu so viel Erfolg in ihrem Beruf gebracht hatte.
    Julia genoß den Nachmittag in ihrem alten Zuhause. Als der Abend anbrach, ließ sie sich gern dazu überreden, auch noch das Abendessen mit ihren Eltern einzunehmen. Es gab – wie sollte es anders sein – die Reste des Bratens, der kalt aufgetragen und zusammen mit Salat und heißen Kartoffeln gegessen werden sollte. Julia fühlte sich sofort an ihre Kindheit erinnert und schwelgte für eine Weile in nostalgischen Reminiszenzen. Sie war als Kind sehr glücklich gewesen. Keine Traumata, keine inneren Krisen hatten ihre Entwicklung überschattet. Alles war geordnet und stabil verlaufen. Sie verdankte ihnen viel, ihren allmählich alt werdenden Eltern, die an ihren gewohnten Lebensformen stets festgehalten hatten.
    Mit dem Geld, das sie bald verdienen würde, wollte sie den beiden eine Freude machen. Sie würde ihnen ein neues Auto kaufen. Und während sie zurück nach London fuhr, beschloß sie, ihre Eltern von nun an häufiger in Hampton zu besuchen. Als Julia die Tür zu ihrer Wohnung öffnete, konnte sie sofort sehen, daß Felix nun ebenfalls zu Hause war. Er hatte seinen Schläger und seine schmutzige Wäsche in einer Ecke des Flurs deponiert. Er war sehr unordentlich, ließ überall seine Sachen herumliegen, und sie räumte für gewöhnlich hinter ihm her, um eine Auseinandersetzung zu vermeiden. Ihm nämlich machte Unordnung nichts aus. Falls sie sich jedoch dadurch gestört fühlte, war sie seiner Ansicht nach selbst dafür zuständig, die Ordnung wieder herzustellen. Er beschwerte sich schließlich auch nicht, wenn ihre Sachen in der Gegend herumlagen.
    Sie ging ins Wohnzimmer. Er räkelte sich in einem Sessel, der Fernseher aber war ausnahmsweise einmal nicht eingeschaltet. Statt dessen las er den Observer, von dem er nun zu ihr aufschaute. Er lächelte und legte das Blatt beiseite.
    »Hi, wo bist du gewesen?«
    »In Hampton. Ich habe mit Mum und Dad zu Mittag und zu Abend gegessen.«
    »Oh, wie schön für dich. Und was gibt es Neues, Liebling? Komm, erzähl doch …«
    Wenn du hier gewesen wärest, als ich zurückgekommen bin, brauchtest du jetzt nicht zu fragen, dachte Julia. Sie sagte aber nichts, denn sie hatten ja eine offene Beziehung, in der jeder tun und lassen konnte, was er wollte. »Ich habe ein sehr gutes Angebot erhalten«, berichtete sie und setzte sich ebenfalls. »Wie wäre es, wenn du mir einen Drink anbieten würdest?«
    Er brachte ihr einen Wodka mit sehr viel Eis. »Großartig. Worum handelt es sich denn?«
    Julia klärte ihn auf, jedoch ohne das Hochgefühl, das sie vorher verspürt hatte. Sie hörte sich sogar eher nüchtern und kühl an. Aus irgendeinem Grund, vermutlich weil sie immer noch gekränkt war, erwähnte sie den Namen Harold King nicht. Vielleicht wollte sie Felix damit bestrafen, daß sie den besten Teil der Geschichte zurückhielt.
    Er freute sich für sie. Wenigstens war er nicht eifersüchtig – wahrscheinlich weil er dazu einfach zu überzeugt von sich selbst war. Keine Minderwertigkeitskomplexe bei Felix, Gott sei Dank.
    Er stand auf, reckte sich und sah sie erwartungsvoll an.
    »Es ist schon spät. Im Fernsehen läuft auch nichts. Wollen wir ins Bett gehen?«
    Am liebsten hätte sie ihm einen Korb gegeben und wäre ihrem Stolz zuliebe im Wohnzimmer geblieben. Aber sie wußte, daß diese Methode bei ihm nicht fruchtete.
    Einmal, nach einem Streit, hatte sie auf stur geschaltet. Daraufhin hatte er mit den Schultern gezuckt und gleichmütig geäußert: »Wie du willst.« Am nächsten Morgen hatte sie nachgegeben und zur Versöhnung mit ihm geschlafen.
    »Du bist ein cleveres kleines Stück, nicht wahr?« murmelte er und spielte mit der Zunge an ihrem Ohr herum. Während des Liebesaktes gebrauchte er gern vulgäre Ausdrücke. Er bezeichnete sie als Bimbo, als Stück, aber in dieser speziellen Situation war es ihr meist egal. Als er sie jetzt auf sich hinaufzog, dachte sie für einen kurzen Augenblick: Es kann so nicht weitergehen. Ich muß dem ein Ende setzen. Dann jedoch wurde erneut das Feuer in ihr entfacht, und all ihr Widerstand schmolz dahin.
    Julias Telefon klingelte kurz vor der Mittagspause. Sie war gerade dabei, eine Liste der Mitarbeiter zu erstellen, die sie benötigen würde. Western hatte ihr im Dachgeschoß des

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