Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
etwas vorzuspielen. Mich musst du nicht zum Lachen bringen.“
Aber Sebastian hob nur eine Augenbraue. „Das muss ich nicht“, erklärte er. „Aber wart‘s nur ab, ich tue es trotzdem.“
J ANE WARTETE ÜBER eine Stunde in dem kleinen Nebenraum des Vortragssaals, und jede Minute schien länger zu dauern als die davor. Die Geräusche der Menge – selten mehr als ein gedämpftes Gemurmel – waren ihre einzige Gesellschaft. Die zunehmende Lautstärke dieses Stimmengewirrs war der alleinige Hinweis darauf, dass der Vortrag zu Ende war und – so hoffte sie – ihr Onkel bald käme. Sie wartete lange Minuten, bis sie aus der Vorhalle Schritte vernahm.
„… nicht sicher“, hörte sie ihren Onkel mit seiner traurigen, dröhnenden Stimme sagen. „Mir erscheint es ein wenig ungehörig, um ehrlich zu sein. Sind Sie sicher, dass Mr. Malheur …“
„Ich bin überzeugt“, erklärte eine Frauenstimme. „Es gibt da nämlich einen wichtigen Punkt …“
Die Tür ging auf. Davor stand eine Frau in dunkelbrauner Kleidung – die Frau, die Jane im Botanischen Garten den Kaktus geschenkt hatte. Einen Augenblick blinzelte Jane verwirrt, weil sie sich nicht an den Namen der Frau erinnern konnte. Dann fiel es ihr wieder ein. Sie war eine Countess – die Countess of Cambury.
Sie gehörte zu den Frauen, die man eher mit ‚eindrucksvoll‘ beschreiben würde als mit ‚hübsch‘ – und sie war fast alt genug, um zu dem Ausdruck auf ihrem Gesicht zu passen. Sie war perfekt frisiert, jedes Haar an seinem Platz, keine Falte in ihrem Kleid, obwohl sie auf den unbequemen Stühlen oben im Saal gesessen haben musste. Es war, als wagte es selbst die Schwerkraft nicht, sich gegen sie aufzulehnen.
Sie sah respekteinflößend aus, und Jane wollte wissen, wie sie das schaffte.
„Nun, Fairfield“, sagte die Frau in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie auf den „Mr.“ bei der Anrede nicht aus Gründen plumper Vertraulichkeit verzichtet hatte. „Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?“
„Wie bitte?“ Titus machte eine kriecherische Verbeugung. „Ich … nun … ich dache eigentlich, Mr. Malheur habe mir etwas zu sagen.“ Er verbeugte sich wieder. Er hatte sich nicht einmal im Raum umgesehen und daher auch Jane noch nicht bemerkt. „Natürlich verstehe ich, dass er beschäftigt ist. Natürlich. Aber …“
Mit einem Seufzen schloss die Countess of Cambury die Tür.
„Das ist in höchstem Maße unziemlich.“ Titus schüttelte den Kopf und rieb sich verwundert die Hände. „In einem Zimmer allein … Ich kann kaum glauben … das heißt …“ Ein Gedanke schien ihm zu kommen – ein schrecklicher, der plötzlichen Blässe in seinem Gesicht nach zu schließen und wie er sich eine Hand an den Hals legte. „Oje“, flüsterte er. „Mr. Malheur hat sicherlich nicht das Zuchtprogramm, über das wir neulich gesprochen haben … Er hat doch wohl nicht vor, mit mir zu beginnen?“
Jane verspürte den Drang, laut zu lachen. Niemand – nicht einmal jemand, der so wahnsinnig wäre, ein menschliches Zuchtprogramm in Angriff zu nehmen – käme je auf die Idee, wenn sein Blick auf ihren umständlichen, spießigen Onkel fiel, zu denken: „Ah, das ist ein Mann, auf den wir nicht verzichten können.“
Die Countess of Cambury blinzelte angesichts dieses Unsinns verwirrt und schüttelte dann den Kopf. „Fairfield“, sagte sie mit schneidender Stimme, „wenn Sie ein Jäger in den Savannen der Urzeit wären, hätten die Löwen Sie gefressen, während Sie umherwanderten und sich laut fragten, wo alle seien und was sie mit ihren Speeren gemacht hätten.“
Jane schnaubte hörbar.
„Verzeihung?“ Titus schüttelte den Kopf.
Die Countess zeigte zu Jane. „Wir sind nicht allein.“
„Nicht?“ Titus runzelte die Stirn, bevor er sich langsam umdrehte, um nachzusehen, worauf die Frau zeigte. Sein Blick fiel auf Jane.
Sie hatte sich vorgestellt, dass er verlegen oder besorgt wirken würde, wenn er sie entdecke. Sie hatte ihn schließlich erpresst.
Stattdessen bekam er einen hochroten Kopf. „Du!“
Er zeigte mit dem Finger auf sie und machte einen Schritt nach vorn. Die Hände hatte er zu Fäusten geballt. „Du!“, wiederholte er. „Was hast du mit deiner Schwester gemacht?“
Kapitel 25
J ANE BENÖTIGTE EINEN M OMENT , um zu begreifen, was Titus gesagt hatte. Ihr Onkel kam auf sie zu, sein Gesicht leuchtete dunkelrot. „Was hast du mit ihr getan?“, wollte er wissen. „Ich werde den
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