Die Erbin
vermiete nur den Frachtraum. Kapitän und Besatzung stellt meine Reederei.«
»Natürlich. Es geht uns ja nur um Ihre freie Tonnagekapazität.« Lobow wartete, bis der Oberkellner abserviert hatte. Bis zum Nachtisch – Crepes suzette mit cerise flambée – hatte man noch eine Viertelstunde Zeit, um über das Geschäft zu reden. »Wir steigen in Ihr Angebot ein. Ihre Preise sind zwar hoch, wir wissen aber, daß wir in guten Händen sind.«
»Sie wollen die afrikanische Route fahren lassen?«
»Vornehmlich.«
»Welche Fracht?«
»Erdöl und Maschinen.«
»Das heißt Waffen! Waffen für Angola, Moçambique, die Freischärler anderer afrikanischer Staaten. Waffen für die Tötung von Weißen. Mit meinen Schiffen! Sie glauben, ich mache mich mitschuldig?«
»Sie vermieten Frachtkapazitäten, weiter nichts.«
»Blind?«
»Glauben Sie, wenn ich per Bahnfracht eine Kiste mit Elektrokochern versende, dann öffnet die Eisenbahn die Kiste und schaut nach, ob auch wirklich Elektrokocher in der Holzwolle liegen?«
»Sie sind grausam ehrlich, Lobow.«
»Warum grausam, Madame?«
»Sie machen es mir schwer, weiter mit Ihnen an einem Tisch zu sitzen.«
»Ihr Vater hätte –«
»Ich bin nicht mein Vater!« unterbrach sie hart.
»Sie sind über achtzig Prozent von ihm! Ihr Vater hat nie Waffen transportiert?«
»Nie! Das weiß ich!«
»Er begann, sein Schiffsimperium aufzubauen, indem er nach dem Krieg ausgediente Liberty-Schiffe der Amerikaner billig aufkaufte. Truppentransporter und Munitionsschiffe! Er baute sie notdürftig um und stieg in das Geschäft ein. Er transportierte alles, was Geld einbrachte. Bis er genug hatte, um seinen ersten Öltanker zu kaufen und seriös zu werden.«
»Jetzt sind wir seriös und bleiben es.«
»Aber Sie können es nicht lange bleiben, wenn die Krise weiter anhält. Ein Hund auf Seidenkissen wird mit Kalbssteaks gefüttert. Setzt man den Köter aus, frißt er auch Abfall aus der Mülltonne, um zu überleben.«
»Sie haben eine deutliche Sprache, Lobow«, sagte Lyda.
»Ich bin ein Russe! Unsere Diplomatie ist berühmt: ein Lächeln im Gesicht, aber die geballte Faust auf dem Tisch. Damit haben wir immer Erfolg.«
»Bei mir nicht.«
Der Nachtisch wurde serviert. In der Flambierpfanne zischten die Kirschen im hochprozentigen Kirschwasser und tanzten in einer bläulichen Flamme. Lobow gab sich ganz den crépes suzettes hin, genoß sie in kleinen Bissen, sein Gesicht glänzte vor Wonne.
Der Mokka duftete herrlich. Ein Kellner in roter Jacke, dem Typ nach ein Algerier, schenkte ihn aus einer bauchigen Glaskanne ein. Der Chef de salle, wie immer an der Eingangstür stehend und die Honneurs machend, blickte zu Lyda hinüber, um einen lobenden Blick zu erhaschen. Sein schwarzes Pomadenhaar glänzte unter den Kristallüstern. Ab und zu zupfte er an seinem maßgeschneiderten Smoking, blickte versonnen auf den riesigen flämischen Gobelin, der den Vorraum des Speisesaals zierte, oder auf den hohen, kulinarische Wonnen versprechenden Turmbau aus allen verfügbaren Früchten, der, mit Blumengestecken vermischt, mitten im Saal stand und den Eingang zum Serviceraum und zur Küche verdeckte.
»Köstlich!« sagte Lobow. »Aber Sie sollten einmal unsere Blinis essen, gefüllt mit kandierten Multebeeren, Schellbeeren und echten Rosenblättern. Etwas besonders Köstliches sind kandierte Kalmuswurzeln oder Moosbeeren, gemischt mit gehacktem Rentierfleisch, in Piroggen eingebacken.«
»Ißt man so im Land des Sozialismus?«
»Es wächst in Sibirien genug, so wie bei Ihnen die Kartoffeln. Wir leben nicht nur von gesäuertem Kohl, wie manche Leute im Westen annehmen.«
»Verzeihung.« Sie lächelte. Ihr Gesicht wurde merkwürdig weich, sogar schön, ihre Augen blickten verträumt. Lobow sah sie verstohlen an, während er an dem starken Mokka nippte. Ein armes Luder ist sie, dachte er. Trotz ihrer Millionen. Ein etwas grobes Gesicht, zu starke Hüften, zu dicke Beine, etwas breitschultrig, die Brüste nicht sonderlich animierend … Aber ein Herz voller Sehnsucht, immer auf Jagd nach Zärtlichkeit, nach einem Mann, der ihr väterliche Wärme schenkt. Die wird sie nie bekommen. Wo eine Lyda Penopoulos auftritt, wird man ihr zu Füßen fallen, aber keiner kommt auf den Gedanken, daß sie es ist, die aufgehoben werden will.
»Ich glaube, wir kommen heute zu keinem Geschäft«, sagte Lobow. Erstaunt sah er, daß der grünberockte Weinkellner schlanke Gläser auf den Tisch setzte und einen
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