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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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hatten und sie diesen weißen Morgenmantel auf der nackten Haut trug; im Bett dann hatte er sich wie selbstverständlich einen runtergeholt, und der Gedanke daran hatte ihn noch am nächsten Tag erregt. Und jetzt, nach vielen Verabredungen, Abendessen, nächtlichem Cognactrinken und Küssen auf die Wange, hatte er mit ihr geschlafen, zuerst auf der Wohnzimmercouch und dann im Schlafzimmer, und sie hatten Sekt getrunken und sich geküsst, wie er es mit Elfriede, seiner Frau, nie getan hatte.
    »Woran denkst du?«, fragte sie. Sie kroch zu ihm ins Bett und wärmte ihre kalten Füße an seinen, die zu glühen schienen.
    »An nichts«, sagte er.
    »Denkst du an deine Frau?«
    Er antwortete nicht, und sie legte den Kopf auf seine Brust.
    »Vermisst du sie sehr?«
    Was sollte er darauf erwidern? Sie waren siebenundzwanzig Jahre verheiratet gewesen, sie war immer da, er konnte sich an keinen Tag erinnern, an dem er sie nicht zumindest für kurze Zeit gesehen hätte; wie viele Tage sind siebenundzwanzig Jahre? Mehr als ein Witwer im Kopf ausrechnen konnte.
    »Morgen ist Sonntag«, sagte Evelin, und es erleichterte ihn, aus seinen Gedanken gerissen zu werden. »Wenn das Wetter wieder so beschissen ist, dann könnten wir ja mal was spielen, was hältst du davon?«
    »Was denn spielen?«
    »Verstecken! Du musst mich suchen, denn du bist der Polizist.«
    Sie hob den Kopf, sah ihm in die Augen und küsste ihn auf den Mund.
    »Bist du sicher, dass mit deinem Blutdruck alles in Ordnung ist?«, fragte sie. »Du hast schon wieder eine ganz rote Birne.«
    »Das ist mein Teint«, sagte er.
    Sie schüttelte den Kopf und legte sich wieder hin. »Wir könnten Karten spielen oder Trivial Pursuit, kennst du das?«
    »Ja, aber mir fällt nie was ein, ich weiß nichts.«
    »Hast du mit deiner Frau gespielt? Spiele gespielt, mein ich.«
    Er schwieg, und weil es ihr zu lange dauerte, sah sie ihn an. Er hatte die Augen geschlossen.
    »Was ist, Paul?«
    »Ich wollte immer …« sagte er und räusperte sich, fing umständlich von vorne an. »Ich wollte … aber sie hat … ich hab ihr gesagt, dass ich … am Sonntag, ich hätt gern mit ihr was gespielt, wenn ich Zeit hatte, aber … aber sie sagte immer: ›Vielleicht morgen … Vielleicht morgen …‹ Wir haben selten was gespielt, Karten, sie war nicht besonders gut im … Verlieren. Und ich auch nicht.«
    Sie wartete, bis er die Augen aufschlug, und dann sah sie ihn ernst an.
    »Ich möchte, dass du mit mir mal aufs Land fährst, an den Chiemsee, wo du geboren bist«, sagte sie.
    »Ich fahr nicht gern aufs Land.«
    »Das macht nichts, aber ich.«
    »Du, Evelin …« Er hatte eine Frage, und er kam sich lächerlich vor, sie zu stellen.
    »Hm?«
    »Ich muss dich was fragen …«
    »Ja, ich nehm die Pille.«
    »Das mein ich nicht, ich mein …« Er wollte sich aufrecht hinsetzen, rutschte mit den Händen auf dem Laken ab und schlug sich den Kopf am Bettgestell an.
    »Hast du dir wehgetan?« Sie streichelte ihm über den Kopf wie einem Kind. »Polizisten kennen keinen Schmerz, heißt das nicht so?«
    »Jaja«, sagte er. Sie legte ihre Hand auf seine, und sie rieben gemeinsam. Das kam ihm albern vor, und er richtete sich auf. »Sind wir jetzt …«
    »Was?« Sie saß vor ihm, zwischen seinen Beinen, und spazierte mit ihren Fingern seinen Oberschenkel hinauf.
    »Wenn … wenn ich ein junger Mann wär … ein ganz junger Mann, dann … dann würd ich dich fragen, ob wir jetzt zusammen gehen …« Endlich war es raus, und er musste sich zusammenreißen, um nicht erleichtert durchzuschnaufen.
    »Wohin gehen?«, fragte sie schnell.
    »So mein ich das doch nicht …« Wieso hatte er bloß so was Dämliches gesagt?
    »Ich weiß, was du meinst. Du meinst, ob wir jetzt ein Paar sind.«
    Er nickte behutsam.
    »Ich muss dir was verraten, Paul«, sagte sie, und ihre Hand schnappte nach seinem schlaffen Glied, so dass er zusammenzuckte, und sie hielt es fest umschlossen. »Wir sind am Ende der neunziger Jahre, das nächste Jahrtausend fängt bald an, da muss man nicht mehr gleich heiraten, nur weil man mal zusammen im Bett war.«
    »Ich will ja auch nicht heiraten«, sagte er – und wäre am liebsten auf der Stelle unsichtbar geworden, so peinlich war ihm diese Bemerkung.
    »Man kann einfach zusammen vögeln, und dann geht jeder wieder seiner Wege. So ist das heutzutage.«
    Er blickte an sich hinunter, und die Faust, die sein Geschlecht umschloss, erregte ihn.
    »Möchtest du gern, dass wir

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