Die fantastische Reise ins Koenigreich der sieben Tuerme
stürmisch, bedrohlich.«
Er hatte recht, was mich erschütterte.
»Im Moment liegen der Turm und die Festungsmauer von Akré noch kaum im Dunkeln. Aber bald, in allerhöchstens ein paar Wochen, werden sie von hier aus nicht mehr zu sehen sein und zu den Schwarzen Welten gehören.«
»Bis wir sie zurückerobern«, sagte ich.
Nach dieser Äußerung, die ich unbedarft und ohne Hintergedanken hingeworfen hatte, starrten mich die Litithen entsetzt an.
»Was habe ich denn gesagt?«
Ergonthe übernahm es, mich aufzuklären, und wies mich bei dieser Gelegenheit scharf zurecht.
»Das ›wir‹ war zu viel. Du bist und bleibst ein Ausländer, und dieser Konflikt hat dich nicht zu interessieren.«
»Fangen wir nicht wieder damit an!«, sagte ich ärgerlich. »Na gut, das ist nicht meine Welt, und dieser Krieg geht mich nichts an. Aber lasst mich wenigstens so tun als ob!«
Ich verstummte, als ich offene Feindseligkeit in den Gesichtern dieser Männer las, die meine Freundschaft oder eher meine Waffenbruderschaft anscheinend nicht wollten. Aber ich glaube, sie hatten vor allem etwas gegen den Betrug, den ich ihnen vorschlug. Die Litithen verabscheuten nämlich jede Form der Lüge. Denn die Täuschung, und sei sie auch noch so harmlos, war der Inbegriff des Bösen, das auf der anderen Seite der nördlichen Grenze lauerte und sie seit Jahrtausenden bedrohte.
»Ich nehme zurück, was ich gesagt habe«, fuhr ich fort. »Dieser Krieg ist definitiv nicht meiner, und dass ich noch bei euch sein darf, habe ich nur dem Zufall zu verdanken. Könnt ihr mir verzeihen?«
Sie blickten wieder nach Norden und machten ernste Gesichter. Eine Weile schwiegen alle und mir schnürte sich vor Trauer und Scham das Herz zusammen. Dann verkündete
Ergonthe: »Morgen trennen sich unsere Wege, Thédric. Wir reiten nach Olsomathe, du nach Isparin, von wo aus du in deine Welt zurückkehren kannst.«
»Du weißt doch genau, dass in Isparin Panik herrscht«, gab ich zurück.
»Fürst Isparan wird meiner Bitte nachkommen, deinen Transfer auf dem Wege des diplomatischen Vorrangs abzuwickeln. Du brauchst dich nur am Palast vorzustellen, dann kümmert sich die Garde um dich.«
»Na schön, wenn das so ist …«
Ich musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht vor Enttäuschung loszuheulen.
Der Abend wurde ein wahres Martyrium, denn weder mir noch meinen Gefährten war nach Plaudern zumute. So knabberten wir zuerst wortlos an unserem Essen, dann beschäftigte sich jeder mit seinem Equined, seinem Schlafzeug, seinen Waffen … während die Dämmerung langsam in eine mondlose Nacht überging. Ich legte mich zur selben Zeit wie meine Kameraden hin, doch ich war so aufgewühlt, dass ich kaum auf einen erholsamen Schlaf hoffen konnte. Ich bin kein litithischer Ritter und werde auch niemals einer sein, sagte ich mir immer wieder. Dieser augenscheinlichen Tatsache hätte ich mir immer bewusst sein sollen. Jetzt stürzte sie mich in eine tiefe Niedergeschlagenheit. Ich machte mir große Vorwürfe, dass ich mich aus Stolz für einen echten Helden gehalten hatte, obwohl ich nur ein Tourist war, der sich in einem Rollenspiel mit realen Dimen - sionen den Kick gab. Ich ärgerte mich über meine Vermessenheit, mich ohne Hemmungen einem Volk zugehörig gefühlt zu haben, dessen Herrscherfamilien bis in die graue Vorzeit zurückreichten. Schließlich setzte ich mich auf, jedoch ohne von meiner inneren Selbstgeißelung abzulassen.
Was bist du doch für ein Idiot!, beschimpfte ich mich immer wieder in Gedanken, während ich mit angewinkelten Beinen dasaß, das Kinn auf die Knie gestützt, und in die undurchsichtige, finstere Nacht blickte. Irgendwo in unergründlicher Ferne ließen einige Brandherde darauf schließen, dass die Kämpfe im Gange oder gerade zu Ende gegangen waren, wahrscheinlich in einem Blutbad.
Plötzlich riss die Wolkendecke auf, und der Mond, der mir zum ersten Mal blasser und kleiner als der auf der Erde vorkam, tauchte die Ebene in ein fahles Licht. Was ich darin enthüllt sah, raubte mir den Atem. Ich stand auf, ging ein paar Schritte darauf zu und fragte mich, ob das Schauspiel vor meinen Augen echt war oder nicht. Erst nach mindestens einer Minute war ich überzeugt, dass ich nicht träumte, und beschloss, meine Gefährten zu alarmieren.
ALLEIN
S tumm vor Entsetzen standen wir da und beobachteten die Armee des Schändlichen, die sich zu beiden Seiten des Turms des Großen Spähers wie ein Basaltstrom über die Mauer von Akré ergoss.
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