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Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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überschätzt Ihr mich, Ser«, gab Anya lächelnd zurück.
    »Was glaubt Ihr dann selbst?«
    »Meine Gedanken spielen keine Rolle. Auch um die Wahrheit geht es hier wohl nicht. Es kommt vor allem auf das an, was diejenigen denken, mit denen wir zu tun haben. Sie scheinen zu glauben, wir hätten weniger Macht als in früheren Jahren und sie könnten sich davor drücken, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Wenn wir sie nicht auf irgendeine Weise zwingen, werden sie nicht zahlen.« Anya bekräftigte ihre Einschätzung mit einem knappen Nicken.
    Kinowin schloss sich ihr nickend an, aber Redark runzelte die Stirn.
    »Gallos setzt auf eine Verzögerungstaktik«, sagte Jeslek. »Ich habe bereits Botschaften an Gorsuch, den Regenten für den jungen Fürsten Uulrac, an Fürst Estalin und Vicomte Rystryr geschickt und darauf hingewiesen, dass sie möglicherweise Rekruten ausheben müssen, um dem Problem in Spidlar zu begegnen.«
    »Außer Gorsuch wird keiner dieser Aufforderung folgen«, warf Kinowin ein. »Sie denken alle, das sei einzig und allein unser Problem.«
    »So ist es«, stimmte der Erzmagier zu. »Syrma ist das Problem. Rystryr wird tun, was wir von ihm verlangen, wenn wir ihm einen Anstoß geben. Auch Gorsuch wird sich fügen.«
    Natürlich würde Gorsuch tun, was Jeslek ihm sagte, dachte Cerryl, aber Gorsuch hatte nur die Macht, solange Uulrac am Leben blieb. Wenn man Gorsuch drängte, Rekruten auszuheben, konnte das durchaus die Lebenserwartung des kranken jungen Fürsten und vielleicht auch Leyladins Lebenserwartung verkürzen.
    »Syrma ist noch nicht lange als Präfekt an der Macht und er muss auf andere Rücksicht nehmen. Vor allem auf die wohlhabenden Bürger und die einflussreichen Kommissionäre, die durch den Handel mit Recluce und Spidlar gut verdienen. Deshalb werden wir um Rekruten bitten und er wird zaudern. Offen weigern wird er sich nicht. Er wird sagen, dass es zu früh sei und dass er Fairhaven achtet.« Jeslek schnaubte. »Er wird alles Mögliche sagen, aber keine Rekruten schicken.«
    »Und was machen wir dann?«, fragte Redark.
    »Wir finden einen Weg, sie alle zu überzeugen.«
    »Ihr würdet doch hoffentlich nicht Fenard in einen Berg verwandeln?«, meinte Kinowin trocken.
    »Nein, nicht Fenard. Das wäre doch sinnlos. Damit würden wir das Gold verlieren, das wir brauchen.« Jeslek lächelte. »Nein, wir müssen unseren Freund Syrma … wir müssen ihn auf eine nicht ganz so drastische Art und Weise an seine Pflichten erinnern. Ich werde darüber nachdenken.« Er blickte kurz zu Cerryl. »Wir reden später weiter darüber, wenn ich mir überlegt habe, welche Maßnahmen angebracht erscheinen.«
    Die kalten Augen über dem lächelnden Mund des Erzmagiers jagten Cerryl einen Schauer über den Rücken, aber der junge Magier zeigte äußerlich keine Regung.
    »Und jetzt müssen wir überlegen, welche Ausgaben wir für das nächste Jahr einplanen können.« Jeslek wandte sich an Redark. »Habt Ihr die Zahlen, um die ich Euch gebeten habe?«
    »Ja, Ser.« Redark zückte einige Papiere und legte vor jedem Magier eines auf den Tisch. »Seht Ihr … dort sind die Goldstücke aufgeführt, die wir brauchen, um die letzten drei Schiffe auszurüsten. Dann die zusätzlichen Soldzahlungen für die Weißen Lanzenreiter. Weiter unten die Ausgaben für die Gilde, die Gehälter und Unterstützungen, dann die Aufwendungen für die Vorräte der Bauarbeiter, für die Stadtwache, das Abwasser und die Aquädukte …«
    Cerryl unterdrückte ein Gähnen. Er hatte das Gefühl, es würde eine lange, ermüdende Sitzung werden.

 
LVIII
     
    C erryl stand an der Wand und wich Anyas Blicken aus, während Kinowin und Redark die Gemächer des Erzmagiers betraten. Fydel stand mit dem Rücken zum Bücherregal auf der anderen Seite.
    »Warum habt Ihr uns so kurzfristig herbestellt?«, wollte Redark wissen, als er sich am Tisch niedergelassen hatte.
    Kinowin entschied sich für den Stuhl zwischen Anya und Redark. Er betrachtete schweigend den weißhaarigen Erzmagier mit den Sonnenaugen.
    »Vielleicht erinnert Ihr Euch, dass ich mir Sorgen machte, Recluce könne in Spidlar eine größere Rolle spielen, als man in Gallos oder Recluce einräumen möchte«, begann Jeslek.
    »Ihr sagt das schon seit mehreren Jahren, wenn ich mich recht erinnere«, gab Kinowin zurück. »Beweise gab es bislang kaum.«
    »Ich hoffe, ich kann das jetzt ändern.« Jeslek nickte in Richtung des Spähglases, in dem noch Reste von Chaos zu spüren waren,

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