Die Farben des Chaos
Aufräumtrupp«, befahl Kesal.
»Ja, Ser.« Der Stadtwächter wischte sich das widerspenstige, hellblonde Haar aus dem Gesicht, lächelte breit und zeigte seine Zahnlücken.
»Wir gehen auf dem Weg der Gerber nach Osten und kehren auf dem Weg der Steinmetzen zurück.«
Bleren nickte.
Als Cerryl und Kesal die Gasse verlassen hatten und wieder auf der Straße waren, fragte Cerryl: »Wie oft kommt so etwas vor?«
»Dass die Leiche fehlt? Einige Male im Jahr. Meistens finden wir aber die Leiche beim Karren.« Kesal lachte heiser. »Und wir wissen dann trotzdem nicht, wer der Tote ist.«
»Vielleicht hatte der Karren gar keine Druidenseide geladen«, überlegte Cerryl.
»Wahrscheinlich doch, oder jedenfalls etwas, das mindestens genauso kostbar war. Die Ladefläche war schließlich leergeräumt.«
An der nächsten Kreuzung blieben sie stehen und ließen einen rumpelnden, schmalen Wagen vorbei. Der weißhaarige Kutscher würdigte die Stadtwächter kaum eines Blickes. Nachdem der Wagen nach Westen in den Weg der Gerber eingebogen war und sich der Hauptstraße näherte, wechselte Chulk wieder auf die Nordseite der Straße.
Kesal holte tief Luft, schüttelte den Kopf und blinzelte in die niedrig im Osten stehende Sonne. »Die Gerber … auf den Geruch könnte ich gut verzichten.«
Cerryl nickte, als er vor sich ein Schild entdeckte, das er schon oft gesehen hatte:
A RKOS – G ERBER
Das Eisentor, das nachts die alte Eichentür sicherte, war zur Seite geschoben, die Tür stand offen. Links und rechts neben der Tür waren mit Gittern gesicherte Fenster in die Wand eingelassen. Der Magier schnupperte, als ihm der beißende Gestank entgegenwehte. Hinter der erst vor kurzem getünchten Außenmauer standen Bottiche mit verschiedenen Färbemitteln, in deren Geruch sich der Gestank von fettem Fleisch mischte, das irgendwo in der Nähe gebraten wurde. Wie viele Male war er zwischen Tellis’ und Arkos’ Werkstatt hin und her gelaufen, um braunes Pergament oder feines Papier für ein Buch oder sonst etwas zu holen? Es schien ihm, als sei es eine Ewigkeit her, ein anderes Leben. Aber genau genommen … genau genommen war es das ja auch.
»Kennt Ihr diesen Laden?«, fragte Kesal.
»Ja. Ich habe hier immer Pergament für Meister Tellis geholt. Lehrlinge von Schreibern haben oft mit Gerbern zu tun.«
»Vielleicht sollten wir ihm guten Tag sagen«, schlug Kesal vor.
»Wahrscheinlich würde er mich nicht wieder erkennen.« Cerryl sah Kesal an. »Glaubt Ihr, er könnte ein Unruhestifter sein?«
»Ich weiß es nicht. Er kommt aus Spidlar, und hier tauchen neuerdings viele Fremde auf, wie Fystl mir berichtete. Während des letzten Achttages habe ich selbst auch ein paar gesehen.«
Sprach die wachsende Verdrossenheit der Gilde über Spidlar aus dem Offizier? Oder hatten Spidlarer allgemein einen schlechten Ruf? Oder war Arkos tatsächlich in illegale Geschäfte verwickelt? »Könnte es sein, dass er schmuggelt?«
»Er bekommt viele Wagenladungen mit Häuten«, meinte Kesal. »Wegen der Häute mache ich mir keine Sorgen, aber man kann Öl und andere Dinge in Lederbehälter stecken und die meisten Magier an den Toren bemerken es nicht. Sie reagieren meist nur auf Metall.«
»Er ist einer der besseren Gerber. Warum sollte er es riskieren, wegen Schmuggelei bestraft zu werden?«, fragte Cerryl.
»Warum riskiert es überhaupt irgendjemand, gegen die Gesetze zu verstoßen?«, fragte der drahtige Anführer der Streife trocken.
»Also meint Ihr, es könnte nicht schaden, wenn Arkos erfährt, dass sich die Stadtwache für ihn interessiert?«
»Es schadet nie, wenn man etwas Interesse zeigt. Nach Möglichkeit bevor jemand eine Waffe aus Stahl oder Bronze blank zieht.«
»Und besonders wenn ein Magier der Stadtwache mit von der Partie ist?«
Kesal grinste, zuckte die Achseln. »Nun ja … Ser.« Er drehte sich zum dunkelhäutigen Olbel um. »Wir gehen zum Gerber.«
»Ich warte dann draußen.« Olbel grinste, dass die Zähne blitzten.
Arkos, ein Mann mit eckigem Gesicht, schien hinter dem Arbeitstisch zu erschauern, als Kesal und Cerryl den kleinen Raum betraten. Er riss die Augen auf, blickte rasch zwischen Wächter und Magier hin und her und verneigte sich eilig. Cerryls Blicken wich er jedoch aus und wandte sich stattdessen an Kesal.
In der Werkstatt des Gerbers war der Geruch von brutzelndem Fleisch schwerer als draußen. Es roch beinahe ranzig. Cerryl schluckte unauffällig.
»Ser Arkos«, sagte der Anführer der
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