Die Formel der Macht
eine Handvoll Papiertücher. “Du hast Angst, bist frustriert und wütend darüber, dass du nicht mehr tun kannst, um Joe zu finden.”
“Ja, das stimmt. Ich kann viel aushalten, aber dieses Gefühl der Hilflosigkeit ist unerträglich.”
“Ich schlage vor, dass du jetzt mal für ein oder zwei Stunden aufhörst, dir Sorgen zu machen und …”
“Ich kann nicht.” Sie wanderte in der Küche umher, schraubte den Deckel von dem Glas mit Pastasoße zu und räumte die Kaffeetassen weg, die auf dem Abtropfbrett standen. “Es tut mir leid, Duncan, aber ich werde heute Nacht eine lausige Gesellschaft sein. Vielleicht solltest du lieber gehen …”
“Kommt gar nicht infrage, es sei denn, du wirfst mich raus. Und selbst dann kann es sein, dass ich meinen Protest dadurch zum Ausdruck bringe, dass ich auf deiner Türschwelle übernachte.” Er zog ihre Hand an seinen Mund und küsste sie. “Die Pizza wird kalt. Setz dich hin und iss.”
Sie war nicht bereit, sich breitschlagen zu lassen. “Danke, Duncan, iss du nur, aber ich habe wirklich keinen Hunger.”
Er machte eine Dose Cola auf und reichte sie ihr. “Dann leiste mir wenigstens Gesellschaft, während ich esse, okay?”
Sie trank einen Schluck und folgte ihm ins Wohnzimmer, weil es ihr kindisch vorgekommen wäre, sich zu weigern. Duncan trug immer noch seinen formellen dunklen Anzug. Er warf das Jackett über Algernons Schultern und lockerte seine Krawatte, dann machte er den obersten Hemdknopf auf, bevor er sich aufs Sofa setzte und nach einem großen Stück Pizza griff. Die Tatsache, dass er außerordentlich begehrenswert aussah, machte Summer noch griesgrämiger. Es war alarmierend zu entdecken, dass man ganz krank vor Sorge über etwas so wirklich Wichtiges wie Joes Verschwinden sein konnte und trotzdem immer wieder daran denken musste, wie toll es jetzt wäre, mit Duncan ins Bett zu fallen und Liebe zu machen.
“Schmeckt wirklich gut, die Pizza”, bemerkte Duncan und leckte sich Tomatensoße von den Fingern.
“Ja? Ich habe mir dort noch nie eine Pizza geholt, aber sie machen auch gute Sandwiches.”
Er warf ihr einen Blick zu. “Du hast nicht etwa deine Meinung geändert und willst doch ein Stück?”
Sie schüttelte den Kopf, zog sich Algernon herüber und vergrub ihre Nase in seinem weichen Kunstpelzbauch. “Duncan, es hat keinen Zweck. Ich kann einfach nicht hier rumsitzen und belangloses Zeug reden, solange ich nicht weiß, was mit Joe passiert ist. Tut mir leid. Ich weiß, dass ich nerve.”
“Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.” Duncan stellte seine Coladose hin. “Hör zu, vielleicht führt es uns nirgendwohin, aber vorhin im Stau habe ich noch mal darüber nachgedacht, warum Joe dir diese Diagramme geschickt haben könnte. Du hast alle Informationsschnipsel, die er dir hat zukommen lassen, genommen und daraus diese Karte gebastelt. An eine Sache allerdings hast du nicht gedacht.”
“An welche?”
“Der Copyright-Vermerk …”
“Aber diese Information habe ich auch benutzt. Dass er auf dem einen Satz fehlt, hat mich doch erst darauf gebracht, dass die beiden Sätze nicht identisch sind. Joe musste mich durch irgendetwas darauf hinweisen, dass ich es nicht mit zwei Sätzen ein und desselben Originals zu tun habe, und das war der Copyright-Vermerk.”
“Richtig, aber da stand nicht nur ein Name, sondern auch eine Adresse. Und wenn ich mich richtig erinnere, war es direkt hier irgendwo in der City.”
Sie fuhr so schnell herum, dass Algernons Brille herunterfiel. “Du meine Güte! Wie konnte ich das nur übersehen?” Sie war schon an ihrem Schreibtisch und stellte den Computer an, während sie sprach. “Ich habe die Ausdrucke bei Julian Stein gelassen, aber ich habe immer noch Joes CD.” Sie schob die CD-ROM in das Laufwerk und gab das Passwort ein. Sobald das erste Diagramm erschien, las sie die Adresse laut vor. “Okay, hier ist es – 2299 Broadway.”
Sie fuhr den Computer wieder herunter und schwenkte in ihrem Drehstuhl herum. “Das muss ganz in der Nähe des Kindermuseums sein. Es ist nur ein paar Blocks von hier ent…”
Er warf ihr einen langmütigen Blick zu und klappte den Deckel der Pizzaschachtel herunter. “Lass mich raten. Du möchtest, dass wir jetzt sofort einen Spaziergang über den Broadway machen.”
“Macht es dir etwas aus? Ich weiß, dass wir uns an einen Strohhalm klammern und dass wir vielleicht gar nichts Wichtiges herausfinden, aber es ist ein schöner Abend, und ich kann einfach
Weitere Kostenlose Bücher