Die Formel der Macht
beiden einen Funken gegenseitigen Verständnisses und Achtung aufblitzen.
“Was wollen Sie von mir?”, fragte Tony.
“Ich habe kürzlich von Joe eine Nachricht bekommen. Sie war dringend, aber nicht sehr klar …”
“Was meinen Sie damit?”
“Das ist kompliziert zu erklären, und jetzt befürchten wir, dass er in Schwierigkeiten steckt. Ich denke, dass er mich zu Ihnen geschickt haben könnte, damit Sie uns helfen.”
“Was für Schwierigkeiten sollten das denn sein?” Tony nahm von einem der Kellner eine Rechnung entgegen und tippte sie in die Kasse ein, während er sprach. “Als ich das letzte Mal von ihm hörte, hatte er sich in irgendeinem winzigen Dorf mitten im Dschungel verkrochen.”
“Er hat sich ein paar mächtige Feinde gemacht, seit er in Amazonien arbeitet”, berichtete Summer. “Aber offen gestanden weiß ich nicht genau, warum er mich zu Ihnen geschickt hat, oder was er von uns erwartet. Er hat mir nur Ihre Adresse gegeben und gesagt, dass ich zu Ihnen gehen soll. Die Nachricht kam allerdings nicht direkt von ihm, und er hat nicht einmal Ihren Namen erwähnt. Ich tappe also völlig im Dunkeln, warum er wollte, dass ich mit Ihnen Kontakt aufnehme.”
Tony fragte den Kellner etwas wegen der Rechnung, aber Duncan war sich sicher, dass er nur Zeit schinden wollte, weil er nicht genau wusste, wie er sich Summer gegenüber verhalten sollte. Nachdem er die Rechnung fertig aufaddiert hatte, wandte er den Kopf und warf Summer erneut einen schnellen abschätzenden Blick zu. “Haben Sie und Joe vor zu heiraten?”
Sie schien die Frage nicht annähernd so seltsam zu finden wie Duncan. “Nein.” Sie erklärte nichts.
Tonys glitzernde dunkle Augen verengten sich. “War das Ihre Entscheidung oder seine?”
“Beidseitig.”
Tony schien diese Information genauso interessant zu finden wie Duncan.
“Warten Sie hier”, sagte Tony.
Er kehrte in weniger als fünf Minuten mit einem schmalen weißen Umschlag zurück. “Hier”, sagte er und reichte Summer das Kuvert. “Das kam vor ungefähr einem Monat mit der Post. Es ist von Joe. Er schrieb in einem Begleitbrief, dass ich Ihnen den Umschlag geben soll, wenn Sie hier aufkreuzen und dass ich Ihnen sagen soll, dass Sie den Umschlag nie an demselben Platz wie die Diagramme und die Fotos aufbewahren sollen. Nehmen Sie ihn mit, ich schätze, das bin ich ihm wohl schuldig, nachdem er mir die Hälfte des Geldes gegeben hat, das ich brauchte, um diesen Laden hier aufzumachen. Aber jetzt wäre es mir lieb, wenn Sie gehen. Ich habe zu tun und kann nicht den ganzen Abend damit zubringen, mir um Joe Malone Sorgen zu machen. Das ist vorbei, und es ist Zeit, weiterzumachen.”
“Danke, Tony.” Summer drehte den Umschlag um, ohne ihn aufzumachen. Sie hielt ihm die Hand hin. “Soll ich Joe sagen, dass er sich bei Ihnen melden soll, wenn ich ihn das nächste Mal wiedersehe?”
Tony schaute sie nachdenklich an. “Ich weiß nicht. Sagen Sie es mir.”
“Ich denke, er sollte Sie anrufen”, sagte sie.
Tony ging weg, ohne sich zu verabschieden, und Summer steckte den Brief ein.
“Komm, Duncan. Lass uns nach Hause gehen.”
“Würdest du mir wohl sagen, was das eben zu bedeuten hatte?”, fragte Duncan, nachdem sie wieder auf der Straße waren.
“Das weißt du. Joe hat mich zu dieser Adresse geschickt …”
“Nein, das meine ich nicht. Was war das eben zwischen dir und Tony? Was wisst ihr beide, das ich nicht weiß?”
Sie zögerte.
“Summer?”
“Joe und Tony hatten zwei Jahre lang eine Beziehung”, sagte sie schließlich. “Es war ziemlich ernst, aber Joe hat sich im letzten Frühjahr von Tony getrennt, weil er mich heiraten wollte.”
Wie viel zwei einfache Sätze doch erklären können, dachte Duncan. Aber sie warfen auch eine Menge neuer Fragen auf, einschließlich der, wie lange Summer schon gewusst hatte, dass ihr bester Freund schwul war und wie sie sich so sicher sein konnte, dass Tony Joes Geliebter war, wo sie ihn doch offensichtlich erst heute kennengelernt hatte. “Woher weißt du, dass Joe und Tony ein Liebespaar waren?”
“Weil Joe seinen Namen irgendwann erwähnt hat.” Summer ging schnell, als ob sie ihre eigenen Gedanken hinter sich lassen wollte.
“War das, bevor oder nachdem er dich gefragt hat, ob du ihn heiraten willst?” Duncan merkte, dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte. Er schob sie in seine Jackentaschen. Ein sehr unbefriedigender Ersatz dafür, dass er sie viel lieber Joe ins Gesicht gerammt
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