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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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recht häufig der Fall war, ihre Freundin Paula Hahne im Löwenhaus besuchte.
    Sie lachte klingelnd, als hätte Emil einen Witz gemacht, rannte den Rest der Treppenstufen hinunter und fiel ihm um den Hals.
     »Mein Lieber, du weißt doch, was dein ist, ist auch mein. Also?«
    »Niemand weiß etwas über seine letztwillige Verfügung. Dr.   Schelling hat ein Testament, aber was darin steht, erfahren wir erst nach dem Begräbnis. Wir fürchten alle, dass er ein neues
     gemacht und uns enterbt hat. Die Apothekenkonzession ist auf jeden Fall perdu, die ist mit seinem Tod erloschen. Aber ich
     nehme an, es hat sowieso niemand von uns ein Interesse daran, Apotheker zu werden.«
    Eugenie zog sich, plötzlich verdrießlich, von ihm zurück und verschwand die Treppe hinauf in ihrem Boudoir, um ihre ohnehin
     außergewöhnliche Schönheit noch weiter zu pflegen. Sie hoffte immer noch, eines Tages würde ihr blendendes Aussehen den Makel
     ihrer Armut überstrahlen.
    Emil fasste seine Mutter an der Hand. »Komm, ich erzähle dir alles.« Er zog sie mit sich in den Salon, setzte sich neben sie
     aufs Sofa und berichtete ihr mit gedämpfter Stimme, was sich am Morgen zugetragen hatte. Dann wechselte er das Thema. »Wie
     geht’s Vater? Macht es Sinn, wenn ich einen Augenblick zu ihm hineinschaue?«
    Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Als ich mittags nach ihm gesehen habe, war er kaum ansprechbar.«
    »Ich sehe einmal nach.« Emil eilte mit langen Schritten die Treppe hinauf, einen Korridor entlang, und klopfte dort an eine
     Tür. Als Antwort auf sein Klopfen kam ein Geräusch, das ebenso gut ein heiseres Brummen wie ein Schnarchen sein mochte.
    Vorsichtig öffnete er die Tür. Aus dem schwach erhellten Zimmer schlug ihm der Dunst von Äther und verschwitzter Bettwäsche
     entgegen. Im Licht der rosa beschirmten Lampe über dem Bett sah er die formlose Masse eines Körpers, die sich unter der Bettdecke
     abzeichnete, und einen Kopf mit lockigem, flachsblondem Haar und Bart. In seiner Jugend war der Baron Julius Aloysius von
     Pritz-Toggenau auf dieselbe weichliche Weise attraktiv gewesen wie jetzt sein Sohn, aber die verderbliche Gewohnheit des Ätherschnüffelns
     hatte ihn zerstört. Die letzten Jahre hatte er nur noch im Bett liegend verbracht, und da er gerne Süßigkeiten naschte, war
     er in dieser Zeit fett wie ein Walfisch geworden.
    Emil betrachtete wortlos das schlafende Wrack auf dem Bett. Sein Vater hatte wieder einmal aus dem Vollen geschöpft. Er machte
     ihm keinen Vorwurf daraus. Im Gegensatz zu seiner Mutter und Schwester empfand Emil Zuneigung für den Mann, der als Produkt
     generationenlanger Inzucht zur Welt gekommen war und seine klägliche Existenz nie gemeistert hatte. Immerhin war der Baron
     stets liebevoll zu seinem Sohn gewesen. Er hatte sich fürsorglich um Emils Erziehung gekümmert, jedenfalls als dieser erwachsen
     genug gewesen war, um ihm alles beizubringen, worauf sich der Baron verstand: Karten spielen, trinken und laszive Gespräche
     führen. Emil hatte angenehme Erinnerungen an eine Kindheit, in der sein Vater ihm die Sammlung französischer Bildchen gezeigt
     und ihm von seinen Besuchen in verschiedenen Bordellen erzählt hatte. Solange man nichts von ihm forderte, war
Julius Aloysius von Pritz-Toggenau ein umgänglicher Mensch, er war weich und träge, ohne die Kraft, dem Willen der Gattin
     einen eigenen entgegenzusetzen. Wenn er sich ärgerte, schlug er keinen Krach, sondern floh zu seinem Inhalationsapparat.
    Ja, Emil mochte seinen Vater.

3
    Der neunte Februar war um nichts freundlicher als sein Vorgänger. Regenwasser rann in trüben Schlieren vom Giebel herunter
     über die Fenster.
    Die junge Witwe saß auf dem Rand ihres Bettes und bemühte sich, ohne allzu arge Verrenkungen in das Trauerkleid aus schwarzem
     Damast zu gelangen. Sie hatte ihre Zofe rufen wollen, sich aber dann daran erinnert, dass diese nach dem schrecklichen Ereignis
     schreiend davongestürmt war. Natürlich hätte sie Fräulein Paula rufen können, wollte diese aber nicht sehen, und so gestaltete
     sich das Ankleiden ohne fremde Hilfe als eine äußerst umständliche Prozedur. Raoul hatte darauf gepocht, dass sie immer standesgemäß
     gekleidet war, und hatte bereitwillig Unsummen ausgegeben für die Putzmacher, Schneider, Juweliere und Schuhmacher auf dem
     Neuen Wall, der teuersten Einkaufsstraße der Stadt. Nur das Feinste vom Feinen wurde hier angeboten, eine Verlockung reihte
     sich an die andere,

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