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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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suchen.«
    Gerrish beendete das Gespräch, indem er das Aufnahmegerät abschaltete und aufstand.
    »Danke. Wenn sich bei den Ermittlungen etwas Neues ergibt, setzen wir uns mit Ihnen in Verbindung.«
    »Ist das nötig?«, fragte Fiona Gould. »Miss Pajala hat Ihre Fragen bereitwillig beantwortet. Noch einmal mit solchen Dingen konfrontiert zu werden, wäre für niemanden angenehm.«
    »Gewiss nicht«, antwortete Gerrish ruhig. »Aber Miss Pajala hat aus eigenem Antrieb Kontakt zu Personen aufgenommen, die in diesen Fall verwickelt sind. Durch ihren Hinweis haben wir die beiden getöteten Männer gefunden. Wir werden weitere Fragen haben.«
    Nur zu. Ich werde damit fertig.
    Vor dem Polizeigebäude bedankte sich Lia bei Fiona Gould und notierte ihre Handynummer.
    Als sie nach sieben Uhr zu Hause in der Kidderpore Avenue ankam, fühlte sie sich wie ein Hund, den man bis zur Erschöpfung vorangejagt hatte. Sie hatte die Lebensgefahr und die polizeiliche Vernehmung überstanden, aber nun war sie nur noch ein müder, armer Köter.
    Gerade jetzt hätte sie gern jemand um sich gehabt. Mari wäre die Richtige gewesen. Mari hätte auf Anhieb verstanden, was sie meinte, wenn sie nur »armer Köter« gesagt hätte.
    Aber Lia hatte nicht die Kraft, mit irgendwem zu reden. Sie wollte nicht über die Vernehmung sprechen, nicht über die Lettinnen oder Arthur Fried, über gar nichts.
    Sie trank eine Tasse Tee und verließ die Wohnung. In der Kirche St. Lucas fanden bisweilen abends Gottesdienste oder andere Veranstaltungen statt, und Lia hatte eigentlich damit gerechnet, dass so kurz vor Weihnachten etwas auf dem Programm stehen würde. Doch die Kirche war dunkel und verschlossen.
    Lia ging in den Park. Die Bäume wirkten in ihrer schwarzen Kahlheit bedrückend, aber die Statuen schimmerten im weißen Dunst der Straßenlampen.
    Da es bei Pfund, der Hundeskulptur, keine Bank gab, lehnte sie sich an das Tier und legte die Hand auf seinen Nacken.
    Wir armen Köter.
    Sie dachte an Daiga V ī tola, deren Foto in ihrer Brieftasche steckte. Und an Chief Inspector Gerrish, der sie vernommen hatte.
    Lia schlenderte weiter und setzte sich zu Füßen des Künstlerpaars Elgar. Sie betrachtete sich gewissermaßen von außen: eine kleine blonde Frau im kalten winterlichen Park. Und dann, allein unter den stillen Statuen, wurde ihr bewusst, was sie erreicht hatte. Sie hatte Daiga V ī tolas Mörder gefasst!
    So konkret hatte sie diesen Gedanken bisher nicht formuliert. Die Toten und die Angst hatten alles andere überlagert. Doch sie war unbestreitbar und unwiderruflich daran beteiligt gewesen, den Mörder von Daiga V ī tola und Anita Klusa ausfindig zu machen.
    Das machte den Tod der Frauen nicht weniger schrecklich, es tröstete wahrscheinlich nur die Angehörigen der Opfer – und selbst dieser Trost war hart und kalt. Aber etwas, das im Frühjahr begonnen hatte, als Lia den weißen Volvo in der Holborn Street sah, ging zu Ende.
    Als Lia den Park verließ, blieb sie noch lange stehen und betrachtete das Haus, in dem sie lebte. Fast alle Fenster waren erleuchtet, auch ihres. Der Anblick hatte ihr immer Ruhe geschenkt, und so war es auch jetzt.

45.
    Das Wochenende kam genau zur richtigen Zeit. Als Lia am Samstagvormittag durch die Stadt ging, merkte sie, dass sie sich ständig umschaute.
    Sie wusste nicht, wen oder was sie in der Menschenmenge zu sehen erwartete. Sie fühlte sich nicht in Gefahr, aber an den Rändern ihres Bewusstseins flackerte ab und zu etwas Unangenehmes auf. Erinnerungen, an die Lia nicht denken wollte, die sie aber nicht losließen. Ihr war klar, dass sie eine Ablenkung brauchte. Als sie im vorweihnachtlichen Gedränge durch die Tottenham Court Road ging, fiel ihr ein, dass das Fitzroy-Kunstmuseum nicht weit entfernt war.
    Die freundliche Frau an der Museumskasse erkannte sie wieder. Lia kaufte eine Eintrittskarte und ging die Treppe zur ersten Etage hinauf. Halb erwartete sie, Mari vor dem »Double O« vorzufinden. Doch die Bank war leer. Nur wenige Besucher schweiften durch die Säle.
    Lia setzte sich auf die Bank und betrachtete das Kunstwerk. Die schwarzen Kreise schwebten im Raum, und das leise Geräusch, das von ihnen und den Ventilatoren ausging, erinnerte Lia an irgendetwas.
    Sie schloss die Augen und lauschte. Bei ihren früheren Besuchen mit Mari hatte sie nicht auf die Geräusche geachtet. Sie hatte nur die unwirkliche Schönheit des Kunstwerks gesehen.
    Das leise Rascheln der Bänder erschien ihr seltsam

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