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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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Arbeit, über die Menschen, über alles.
    Lia fragte, ob Mari versucht habe, Paddy näherzukommen.
    »Nein. Wer weiß, ob überhaupt jemals was aus uns wird.«
    Lia war klug genug, nicht weiterzubohren. Zwischen Mari und Paddy lag eine Art Spannungsfeld, auf dem langsame Verschiebungen und Annäherungen stattfanden und dessen Existenz ihnen selbst ebenso bewusst war wie denjenigen, die sie kannten.
    Mari wechselte das Thema und wollte wissen, wie sich Lia jetzt, eine Woche nach den Ereignissen fühlte.
    Lia erklärte, sie sei froh über die Möglichkeit, jederzeit psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen zu können, habe aber das Gefühl, auch ohne Therapie zurechtzukommen.
    »Mein Verstand sagt mir, dass ich bedrückter sein müsste, als ich es bin. Aber ich spüre keine Angst. Oder Sorge. Ich bin nur … erleichtert.«
    »Gut«, sagte Mari.
    Sie erzählte, sie habe die Reaktionen der Medien auf Arthur Frieds Priesterweihe verfolgt. Die Nachricht hätte fast überall Argwohn ausgelöst. In vielen Leitartikeln wurde Frieds neues religiöses Engagement als PR -Manöver gewertet, das den Niedergang seiner Partei jedoch nicht aufhalten werde.
    Und in der nächsten Woche, wenn Sarah Hawkins’ Video an die Öffentlichkeit gelangen würde, werde man den Herrn Pastor in einem ganz neuen Licht sehen, fügte Mari hinzu.
    Darauf stießen sie mit französischem Wein an und lachten darüber, dass auf dessen Etikett zufälligerweise ein frommer Mönch prunkte.
    »Ich habe dir noch gar nicht erzählt, dass ich Fried schon vor mehr als zehn Jahren zum ersten Mal begegnet bin«, sagte Mari plötzlich.
    Sie waren sich in den USA begegnet, in Texas. Mari reiste damals herum, um etwas von der Welt zu sehen, Fried war geschäftlich unterwegs.
    »Wir haben uns in einer Bar kennengelernt. Es ging alles sehr schnell. Es hat nicht viel gefehlt, und ich wäre mit ihm ins Bett gegangen.«
    Lia hätte sich beinahe an ihrem Wein verschluckt.
    »Ich weiß«, sagte Mari. »Es ist unbegreiflich.«
    Fried war damals ein anderer Mensch als heute.
    »Es war rein sexuell. Er hat mich in der Bar angesprochen. Im ersten Moment wirkte er sehr anziehend.«
    Lia hörte schweigend zu, während Mari erzählte.
    Fried habe damals keine verlogene Religiosität ausgestrahlt. Auch nicht die Grausamkeit, die heute deutlich zu erkennen war. Mari hätte ihn für einen unternehmungslustigen und intelligenten Geschäftsmann gehalten.
    »Ich war fasziniert von seiner Fähigkeit, direkt zur Sache zu kommen. Von seiner ungeheuren Energie. Er sagte offen, dass er Gesellschaft für eine Nacht suchte. Er wirkte echt – heute klingt das albern, aber für kurze Zeit habe ich es geglaubt.«
    Allerdings hatte Mari auch gemerkt, dass sie irgendetwas an dem Mann störte. Während sie sich an der Bar unterhielten, hatte sie versucht zu ergründen, was für ein Mensch er war.
    »Er wich aus. Er sprach nicht über sich, sondern über Amerika, über das, was er dort gesehen hatte. Er war ein guter Beobachter. Wahrscheinlich wollte er nicht über sich reden, weil er damals noch mit Sarah Hawkins verheiratet war. Obwohl die Ehe zu der Zeit offenbar schon gescheitert war.«
    Als Fried merkte, dass Mari sich für ihn interessierte, fragte er, ob sie harte Spiele möge.
    »Da begriff ich, was mich störte. Er wollte andere unterwerfen, aber das hatte nichts mit sexuellem Genuss zu tun.«
    Als Mari unmissverständlich erklärte, daran habe sie kein Interesse, hatte Fried sie verärgert als kleine Nutte beschimpft, die nicht wisse, was gut für sie sei.
    »Er hat eine andere Frau in der Bar angequatscht, und ich bin gegangen.«
    Danach hatte Mari Informationen über Arthur Fried eingezogen. Sie hatte Frieds politische Aktivitäten verfolgt und allmählich die Überzeugung gewonnen, dass er gefährlich war.
    »Er ist ein seltenes Exemplar.«
    Fried sei sowohl äußerst begabt als auch durch und durch böse. Mari hielt ihn für unfähig, Trauer oder Empathie oder auch nur ein tieferes Interesse für andere Menschen zu empfinden. Wo diese Empfindungen sein sollten, herrsche bei ihm Leere. Ein Vakuum, das er durch Machtausübung fülle.
    Damit war das Thema Fried für diesen Abend erledigt.
    Es war eine schöne Weihnachtsfeier. Sie tranken viel, doch das Entscheidende waren nicht die Getränke und die Lustigkeit, sondern das, was sie in den vergangenen Monaten miteinander geteilt hatten.
    Lia zeigte Mari den Reiseführer London, Good For You! . Mari reagierte genau so wie Lia damals beim

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