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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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wollte etwas tun, damit die Sache ins Lot kam und der Täter bestraft wurde.
    »Mitunter packt mich eine irrsinnige Wut, weißt du. Dann könnte ich einfach nur brüllen: Let’s nail the bastard! «
    Mari lächelte.
    »Das Gefühl kenne ich.«

9.
    Ende Juli war es in London quälend heiß. In der Redaktion waren viele schon im Urlaub, und der Rest zählte die Tage bis zu dessen Beginn. Lia hatte sich bereit erklärt, erst Ende September, Anfang Oktober freizunehmen. Es störte sie nicht, im Sommer zu arbeiten; da so viele Kollegen fehlten, ging es aber hektisch zu.
    Heute hatte sie sich mit dem Layout beeilt, denn am Abend wollte sie sich mit Mari zum Bowling treffen. Normalerweise arbeitete sie überaus sorgfältig, aber manchmal musste man auch fünf gerade sein lassen. Als sie sah, dass Martyn Taylor sich ihrem Schreibtisch näherte, versuchte sie ihre Arbeit zu verstecken, denn der Chefgrafiker würde sofort erkennen, dass sie gehudelt hatte.
    Martyn Taylor war ein erfahrener Profi. Vor seiner Anstellung bei Level hatte er für eine große Modezeitschrift gearbeitet und war Mitgründer von zwei erfolgreichen Illustrierten gewesen. Er wurde allgemein geschätzt, stellte hohe Anforderungen und war nach Lias Ansicht unwahrscheinlich klug. Sie verließ sich in jeder Hinsicht auf seinen Rat.
    Taylor lehnte sich an ihren Tisch.
    »Ich habe gerade mit dem Chef gesprochen. Der Vorstand des Verlags hatte seine monatliche Sitzung«, sagte er.
    Lia hörte ihm aufmerksam zu, als er erzählte, dass der Vorstand seinen Pensionsplan gutgeheißen hatte. In drei Jahren, mit neunundfünfzig, wollte er in Rente gehen.
    »Du lieber Himmel«, rief Lia. »Ich hatte keine Ahnung von deinen Plänen. Was machen wir denn ohne dich?«
    »Ihr wählt einen neuen AD . Das heißt, die Wahl trifft der Chefredakteur. Aber er wird mich fragen, wen ich empfehle.«
    Die Stelle würde offiziell ausgeschrieben werden, aber man wählte den AD oft unter den eigenen Grafikern, erklärte Taylor. Lia bemühte sich, locker zu wirken, obwohl sie plötzlich völlig durcheinander war.
    »Meiner Meinung nach hättest du das Zeug dazu«, sagte Taylor.
    Sie müsse nur in nächster Zeit lernen, die Gesamtverantwortung zu übernehmen, die ganze Zeitschrift im Blick zu haben, fuhr er fort. Wenn sie das schaffe, könne es sein, dass man sie zu seiner Nachfolgerin ausbilde. In der Regel werde für diesen Posten langjährige Erfahrung verlangt, doch er glaube, Lia sei der Aufgabe gewachsen.
    »In letzter Zeit hast du allerdings gefaulenzt.«
    Lia schluckte verlegen: Taylor hatte recht. Seit sie einen Großteil ihrer Freizeit mit Mari verbrachte, kreiste ihr Leben nicht mehr ausschließlich um ihre Arbeit. »Danke. Ich werde mir Mühe geben«, sagte sie.
    Nachdem Taylor gegangen war, schickte sie eine SMS an Mari und verschob ihr Treffen um zwei Stunden. Ab jetzt musste sie wieder sorgfältig arbeiten.
    Lia sprudelte vor Begeisterung, als sie Mari in der Bowlinghalle in der Tavistock Street traf.
    »Ich liebe meine Arbeit, und wie Taylor sagt, bin ich gar nicht so schlecht.«
    Sie hatte gehofft, eines Tages AD zu werden, aber an Level hatte sie dabei nicht zu denken gewagt.
    Der Jubel hielt eine halbe Stunde vor. Im Gleichtakt mit ihren schwächer werdenden Bowling-Resultaten sank Lias Stimmung.
    »Matt Thomas nimmt mich bestimmt nicht. Er verhält sich mir gegenüber gleichgültig, manchmal sogar richtig fies.« Sicher würde ihr der Chefredakteur einen männlichen Bewerber vor die Nase setzen. »Thomas hat ganz klar ein Problem damit, dass ich eine Frau bin und eine eigene Meinung habe. Er ist der Typ Mann, der über die Fähigkeiten und das Aussehen von Frauen Witze reißt und obendrein glaubt, Frauen fänden diese auch noch lustig.«
    Sie gingen auf einen Drink an die Bar der Halle.
    »Es gibt noch andere gute Zeitschriften«, meinte Mari.
    »Klar«, nickte Lia. Aber Level sei eben etwas Besonderes. Und wenn sie woanders AD werden wolle, müsse sie bald Entscheidungen treffen.
    Sie war voller Tatendrang nach London gezogen und hatte sich eine Stelle gesucht, aber in den letzten Jahren hatte sie eigentlich nur noch abgewartet, was das Leben ihr brachte.
    »Die Arbeit ist mir wahnsinnig wichtig. Das ist nicht ausschließlich positiv, aber so ist es eben. Jetzt muss ich mich entscheiden, ob ich bei Level bleibe und abwarte, oder ob ich anderswo mein Glück versuche.«
    Mari überlegte.
    »Was könnte dir diese Entscheidung erleichtern?«, fragte sie.
    »Gute Frage.

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