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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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stundenlang wach und wartete auf die Müdigkeit, die nicht kommen wollte. Sie versuchte, in ihren Büchern über Lettland zu lesen, doch daraus wurde nichts. Auch auf den Reiseführer London, Good for You! , den sie hervorkramte, konnte sie sich nicht konzentrieren.
    In ihrem Kopf ging es chaotisch zu. Das stundenlange Sitzen neben Paddy und das überraschende Sicherheitsgefühl hatten etwas in Bewegung gesetzt. Es ging nicht nur um die Träume von einer Familie. Es ging um die Furcht, die sie nie ganz losgelassen hatte.
    Lia setzte sich an ihren Computer. Nach kurzem Zögern gab sie einige Worte in die Suchmaschine ein. Das hatte sie sich in all den Jahren, seit sie in London lebte, kein einziges Mal gestattet.
    Sie sah nach, wie es dem Menschen ging, wegen dem sie Finnland verlassen hatte. Minutenlang suchte sie nach bekannten Namen und las Chats. Die Ergebnisse waren mager, zeigten aber, dass dieser Mensch noch existierte. Er tat dies und jenes, lebte sein Leben.
    Das alte, bekannte Gefühl erfasste Lia. Die Furcht selbst kehrte zwar nicht zurück, wohl aber die Erinnerung an ihre Macht, daran, wie es gewesen war, mit ihr zu leben.
    Sie hatte die Angst doch eigentlich überwunden. Oder nicht?
    Lia schaltete den Computer aus und ging zu Bett. Die Tränen, die ihr über das Gesicht strömten, waren eine rein physische Reaktion auf die verworrenen Gefühle, mit denen sie sich auseinandergesetzt hatte.
    Es war das zweite Mal in diesem Jahr, dass sie weinte. Beim ersten Mal hatte sie um die Lettin getrauert.
    Es dauerte nicht lange. Schon bald folgten auf die Tränen die ersehnte Müdigkeit und der Schlaf.

28.
    Am nächsten Abend bat Mari Lia ins Studio. Sie gingen die Informationen über Kazis Vanags durch. Paddy hatte Mari bereits ausführlich Bericht erstattet.
    Lia war erleichtert, weil Paddy nicht an der Besprechung teilnahm.
    Ich bin nicht in ihn verliebt. Aber gestern ist zu viel auf einmal auf mich eingestürmt, zu viel, worüber ich nachdenken muss.
    Die Wohnung in der obersten Etage des Hauses in der Vasall Street war auf eine von Kazis Vanags’ Firmen, Dynos, eingetragen. Im vergangenen Jahr hatte der zuständige Immobilien-Service drei Beschwerden wegen der Wohnung erhalten, alle von einem Nachbarn, dem die vielen Besucher und die Schreie, die aus der Wohnung drangen, verdächtig vorkamen. Die Sache war jedoch im Sande verlaufen, denn Kazis Vanags hatte auf Nachfrage der Hausverwaltung erklärt, die Wohnung sei an eine studentische WG vermietet.
    Das Reihenhaus in der Sangley Street war Vanags’ persönliches Eigentum, während die Bar Assets auf seine zweite Firma Riga Trading eingetragen war. Er hatte keine Steuerschulden, aber die Registerangaben über die Mitarbeiter seiner Firmen und über die Beiträge zur Sozialversicherung waren äußerst lückenhaft.
    Paddy hatte mit Hilfe seiner Bekannten bei der Polizei Vanags’ Strafregister überprüft. Im Lauf der Jahre war Vanags dreimal vernommen worden, zweimal unter dem Verdacht der Körperverletzung und einmal als Zeuge in einem weiteren Fall von Körperverletzung. In keinem der Fälle war es zum Prozess gekommen.
    »Das Netzwerk der Ostkriminellen schützt seine Mitglieder«, sagte Mari.
    In zwei Fällen war eine Frau verletzt worden, die eine mit einem großen Messer, die andere durch Würgen. Im dritten Fall war ein junger Russe in einer Gasse hinter der Assets-Bar niedergeschlagen worden. Als die polizeilichen Ermittlungen voranschritten, hatte der junge Mann die Sprache verloren, und der Fall musste zu den Akten gelegt werden.
    Vanags hatte Geld. Davon zeugten die teuren Häuser, das teure Auto und die Tatsache, dass allem Anschein nach mehrere Menschen für ihn arbeiteten.
    »Was tun wir jetzt? Übergeben wir die Informationen der Polizei?«, fragte Lia.
    »Ich weiß nicht recht«, antwortete Mari.
    Höchstwahrscheinlich hatte Vanags Rettungspläne für den Fall, dass er verhaftet wurde. Dann würden seine Komplizen vermutlich alle Spuren verwischen. Wenn man ihn nur wegen Zuhälterei belangte, blieben womöglich schlimmere Taten unaufgeklärt – etwa der Mord an der Lettin.
    »Dann gehen wir vorläufig noch nicht zur Polizei«, erklärte Lia.
    Mari stimmte ihr zu.
    Sie beschlossen später zu entscheiden, ob sie die Polizei einschalten wollten.
    Lia erzählte Mari neckend, dass Paddy sich am vorigen Abend nach ihr erkundigt hatte.
    Mari horchte auf. »Was wollte er wissen?«
    Lia berichtete von ihrem Gespräch über Finnland.
    »Was läuft

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