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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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der junge Schauspieler seinen Schwanz an ihrem Schenkel rieb – aber mein Gott, wie konnte sie ihm dafür böse sein? –, sie nahm diese Komplimente mit Tränen in den Augen und einem Hauch von Stolz und Verachtung für diesen neuen Schicksalsschlag entgegen, der Richards Handschrift trug.
    Judith fragte sich laut, ob auch sie vier Pfund abnehmen würde, wenn sie erfahren müßte, daß ihr Mann mit einer anderen durchgebrannt sei, einer Chinesin zum Beispiel, aber das war längst nicht sicher.
    In der Ferne hörte man die Zimmerleute, die unter André Trendels Aufsicht arbeiteten, das Kreischen der Kreissägen, das Toctoc der Hämmer, das Sonson der Fuchsschwänze, das Schaben der Hobel, das knirschende Surren der elektrischen Schleifmaschinen, die dreihundert Meter von dort entfernt in Betrieb waren, um diesen verflixten Fitnessraum aus dem Boden zu stampfen.
    »Der Typ hat sie nicht mehr alle, oder?«
    »Ja… aber die Sache ist ziemlich kompliziert. Ach, eigentlich nicht. So kompliziert auch wieder nicht.«
    Laure führte den Gedanken nicht weiter aus, denn ihre Aufmerksamkeit wurde von einem Porsche in Anspruch genommen, der auf der Straße zum Hügel hinauffuhr, auch wenn das Modell und die Farbe anders waren. Nichts ließ darauf schließen, ob Richard zurückkommen würde oder nicht, und nicht einmal, ob er sich überhaupt irgendwann wieder melden würde. Judith war überzeugt, daß ein Mann wie Richard nicht für immer wegging, aber woher wollte sie das wissen? Hatte sie das im Kaffeesatz gelesen? Glaubte sie, sie könne sie mit solchen Märchen beruhigen?
    Um die Wahrheit zu sagen, um ganz ehrlich zu sein, wußte sie nicht mehr ein noch aus. Sie war hin- und hergerissen zwischen ihrer Karriere auf der einen Seite – ihrer Karriere!… – und der unaufhaltsamen Auflösung ihrer Familie auf der anderen – deren Verschwinden in undurchsichtigen Nebelschleiern. Mit einem Mal wurde ihr wirklich klar, wie sie sich ihren Angehörigen gegenüber verhalten, welche Art von Liebe sie ihnen gewährt hatte. Jetzt, da alles vorbei zu sein schien und der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, offensichtlich erreicht war, konnte sie in aller Ruhe die Liste ihrer Fehler, ihrer Ungeschicklichkeiten, ihrer Fehlurteile, ihrer mangelnden Wachsamkeit usw. aufstellen. Jetzt sah sie sich ganz deutlich: gleichgültig, hochnäsig, nur auf sich selbst bezogen, introvertiert und ohne jeden Nutzen für die anderen. Und all dies rächte sich irgendwann. All dies, all diese unangemessenen Verhaltensweisen rächten sich zwangsläufig eines Tages, und dieser Tag war jetzt da, sagte sie sich.
    Sie hatte eine ziemlich blasse Gesichtsfarbe. Judith bemühte sich, dieses Thema nicht anzusprechen, aber es war klar, daß Laure nicht in Form war – was Anaïs’ Vater Vincent Delacosta zum Beispiel nicht entgangen war, als er sich mit ihr über Evy unterhalten wollte, da er glaubte, dieser nähme ziemlich starke psychedelische Drogen, dabei handelte es sich nur um dessen maßlose Verehrung für Gaby Gurlitch, und bei dieser Gelegenheit feststellen mußte, daß Laure ziemlich abgespannt aussah und trotz ihrer hohen Absätze gar nicht mehr so aufreizend wirkte wie gewöhnlich.
    Tatsächlich ging es ihr ziemlich schlecht. Die Depression, in der sie immer tiefer versank, bereitete auch ihrem Schwiegervater ernsthafte Sorgen, der zwar nicht an seinen Nägeln kaute, aber seit dem Tag, an dem er erfahren hatte, daß Richard sein Zuhause, seine Frau und seinen Sohn wie der letzte Lump verlassen hatte, nachts kein Auge mehr zutat.
    Er war bei sich zu Hause einen ganzen Tag lang in Schreikrämpfe ausgebrochen, nervös auf und ab gegangen, hatte gejammert und sich in die Faust gebissen, und dann hatte er Rose einen Kuß auf die Wange gedrückt und morgens mit zugeschnürtem Magen das erste Flugzeug genommen.
    Dany Clarences Enthüllungen, seine schrecklichen, schmutzigen Anschuldigungen, die sich nicht überprüfen ließen, waren im Grunde nichts anderes gewesen als der Tropfen, von dem man sagt, daß er das Faß zum Überlaufen bringt: Richard hatte sich aus verschiedenen Gründen aus dem Staub gemacht, so sah die Sache aus – aus Gründen, die kaum dümmer, verachtenswerter und kindischer sein konnten, wie André meinte, und den diese Feststellung nicht gerade optimistisch stimmte.
    Dieses Haus war zugrunde gerichtet worden, das stand für ihn außer Zweifel. Auch wenn er dort meistens allein war und den größten Teil der Zeit damit verbrachte,

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