Die fünf Leben der Daisy West
Gate zum Stehen kommt. Insgeheim bin ich unglaublich dankbar, dass ich mit einer desinteressierten Roboterfrau und einem Mann, der sich noch nie unnötig in mein Leben eingemischt hat, unterwegs bin.
Wir checken im Hotel ein, essen zu Abend und wünschen uns gegenseitig eine gute Nacht. Ich schreibe in unserem Blog einen Kommentar zu Megans Antwort auf meine Theorie – wonach Montagmorgen eindeutig besser sei als Sonntagabend – und prüfe dann meine E-Mails.
Matt hat sich nicht gemeldet.
Also schaue ich mir den Anfang eines Films an, aber es ist eine romantische Komödie, die mir nur vor Augen führt, wie unlustig mein eigenes Leben ist. Ich schalte den Fernseher ab und gehe ins Bett in der Hoffnung, dass der Tag morgen besser wird. Bevor ich das Licht ausschalte, schreibe ich Megan noch eine SMS.
Scheißwoche. Kann kaum erwarten, dich zu sehen.
Bin immer für dich da. Schlaf, und morgen sehen wir weiter.
Hab dich superlieb.
Ich dich auch.
Als ich meine »Eltern« am nächsten Morgen in der Hotellobby treffe, liest Mason gerade eine E-Mail auf seinem Smartphone. Finster blickt er auf das Display und hält es dann Cassie hin.
»Interessant«, sagt sie, während wir zum Auto gehen.
»Das kann man wohl sagen«, murmelt Mason.
Als wir alle angeschnallt im Wagen sitzen, frage ich, was los ist.
»Gott baut offenbar ein neues Labor auf.«
»Warum?«, erkundige ich mich. »Läuft es in Virginia nicht?«
»Doch«, antwortet Mason, »aber es war auf das Programm in seinem derzeitigen Umfang zugeschnitten. Mir fällt nur ein einziger Grund ein, warum er ein weiteres brauchen sollte, und der ist ...« Er spricht den Satz nicht zu Ende, als würde er über seine Worte nachdenken.
»Was?«, hake ich nach.
Cassie stößt einen tiefen Seufzer aus. Manchmal habe ich das Gefühl, es stört sie, dass Mason mir so viel anvertraut. Doch Mason würde sich nie davon abbringen lassen.
»... Erweiterung.«
Ich überlege noch immer, was Mason damit gemeint haben mag, als Cassie zweimal an die Tür der Holloways klopft. Megans Mutter Alicia öffnet und ich schlängele mich schnell an Cassie und Mason vorbei, um sie zu umarmen. In der ganzen Wohnung duftet es nach den besten Bananen-Muffins der Welt und ich werde sofort ruhiger.
Es sind Halcyon -Muffins.
Ich muss lächeln, als mir unwillkürlich Matts Lieblingswort aus Mr Jeffersons Fremdwörter-Test einfällt. »Unbekümmert« und »friedlich«, so wie ich ... Dann erinnere ich mich jedoch an unseren Streit und verdränge den Gedanken.
»Kommt rein«, begrüßt uns Alicia. »Wie geht es euch?«
Sie ist einer jener Menschen, deren Fröhlichkeit sofort ansteckend ist. Mason strahlt sie an – manchmal denke ich, er ist ein wenig in sie verliebt – und selbst Cassie erwidert Alicias kurze Umarmung.
»Wo ist eigentlich Megan?«, ruft Alicia und schaut sich in der hellen Dachwohnung um.
»Habe ich gerade meinen Namen gehört?«, meldet sich eine Stimme und Megan kommt hinter einer der wenigen Wände in der loftartigen Wohnung zum Vorschein. Meine seelenverwandte Fast-Schwester, die als Fast-Bruder geboren wurde, sieht in dem Blumenkleid, das sie trägt, und mit ihrer beneidenswerten, weißblonden Lockenpracht sowie den üppigsten Wimpern, die ich je gesehen habe, einfach umwerfend aus. Leise kichere ich vor mich hin, als sie leichtfüßig und mit einem übertrieben sexy Hüftschwung auf uns zustolziert. Ich laufe ihr entgegen und erdrücke sie fast mit meiner Umarmung.
»Hi«, sage ich in ihre wallende Haarmähne.
»Hi«, grüßt sie zurück und klopft mir kräftig auf den Rücken. »Wie geht’s meinem Mädchen?«
»Geht schon«, antworte ich, dicht an sie gepresst. Megans feste Umarmung erinnert mich ein wenig an Matts und sofort schießenmir wieder Tränen in die Augen. Plötzlich weine und lache ich gleichzeitig.
Megan lässt mich los und tritt einige Schritte zurück, um mich zu betrachten.
»Ich glaube, wir zwei haben uns einiges zu erzählen.«
Ich grinse und bin unendlich froh, hier zu sein.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
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Nach Megans erstem Testtag schlendern wir über den Pike Place Fish Market. Da ich größtenteils in kleineren Städten gelebt habe, leide ich zwischen so vielen Menschen ein wenig an Reizüberflutung, aber ich genieße es. Megan und ich haben die Tradition, uns bei Fran’s Chocolates Salz-Karamell zu kaufen und dann den Fischhändlern zuzuschauen, bis uns langweilig wird. Anschließend
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