Die Galerie der Lügen
ihn mit diesem geisteskranken Hammerschwinger aus dem Vatikan gleichsetzen.«
»Ich dachte schon, es könnte dir entgangen sein.« Alex starrte auf die Schalttafel. Darwin hatte vergessen, den Knopf zu drücken. Der Lift stand immer noch im siebten Stock.
»Meinst du, ich bin taub und blind? Schon kurz nachdem wir ins Büro gekommen sind, ist mit dir irgendwas passiert. Zuerst dachte ich, es läge an seiner Ähnlichkeit mit David Bowie, aber das war es nicht.«
»Woher willst du das wissen?«
»Jetzt komm! Das ist doch kindisch, Alex.«
»Weißt du, wie man mich auf der Uni immer genannt hat?«
» Keine Ahnung.«
»Den David Bowie von Goldsmiths.«
Darwin schnappte nach Luft, hielt dann aber, was immer ihm auf der Zunge lag, zurück. Stattdessen musterte er Alex und sagte: »Na ja, ganz abwegig ist der Vergleich nicht. Allerdings bist du hundertmal hübscher.«
»Danke.«
»Und deine Augen haben eine andere Farbe.«
»Das täuscht.«
»Wie…?«
»In Wirklichkeit ist meine Iris durchlöchert. Dasselbe Prinzip wie bei den Farbpixeln eines Computermonitors, nur dass die Pigmentpunkte in meinen Augen abwechselnd blau und farblos sind. Durch letztere sieht man die Netzhaut. Mischt man die beiden Töne, kommt Lila heraus.«
Darwin sah aus wie jemand, der eine schreckliche Wahrheit bereits ahnte, dessen Verstand sich aber noch vor dem Unfasslichen verschloss. »Worauf willst du hinaus?«
In ihr tobte ein Sturm. Warum hatte sie nicht einfach geschwiegen? Verärgert hieb sie mit der flachen Hand gegen die Taste, die den Fahrstuhl zur Fahrt in die Tiefgarage programmierte.
»Alex?«, bohrte Darwin nach. Der Lift glitt sanft nach unten.
Mit einem Ruck wandte sie ihm ihr Gesicht zu. »Du hast mir heute beim Frühstück gesagt, Martin Cadwell heiße in Wirklichkeit Thorgrim Gunnarsson und er habe einen Doktor der Biologie.«
»Das ist richtig.«
»Vielleicht sah er mir deshalb vor fünfundzwanzig Jahren so ähnlich.«
»Habe ich einen Filmriss? Ich verstehe nicht…«
»Das Bild von der Angelgesellschaft.«
»Ja?«
»Die Nummer vier.«
»Der Mann in der Mitte? Der, dessen Gesicht von dem Feuer in deinem Haus unkenntlich gemacht wurde?«
Sie nickte. »Hast du dich gefragt, warum die anderen sechs ihn ins Zentrum gestellt haben?«
»Weil er eine zentrale Rolle spielt?«
»Darauf kannst du Gift nehmen. Als das Foto noch unversehrt war, habe ich mir die Nummer vier lange angeschaut. Sie sah aus wie der junge David Bowie. Wie ich.« Ohne sich dessen richtig bewusst zu sein, umklammerte sie seinen Oberarm. »Der Mann auf dem Foto, Darwin, ist nicht irgendwer. Es ist dein Boss. Und er ist mein genetischer Vater.«
Als sich die Fahrstuhltüren im Untergeschoss des ArtCare Building öffneten, hätte ein dort zufällig Wartender nur einen Mann und eine Frau gesehen, die mit unbewegter Miene nebeneinander standen, als kennten sie einander nicht einmal. Doch das Parkhaus war menschenleer.
Darwin hatte nach Alex’ überraschender Offenbarung absolutes Schweigen verordnet. Sie ahnte den Grund. Kamera und Mikrofon im Aufzug dienten zwar nur dem Notfall, aber seitdem ihm der Verdacht gekommen war, sein Telefon sei abgehört worden, hielt er offenbar alles für möglich. Schweigend liefen sie zum Griffith. Vor dem Gebäude würden sie wieder von den zwei Polizeifahrzeugen in die Mitte genommen werden; Reena Baker hatte die Beamten bereits informiert.
Der Sportwagen stand mit verschlossenem Verdeck auf dem Stammplatz des Versicherungsdetektivs. Darwin öffnete über die Fahrertür die Zentralverriegelung.
Alex spürte ein vertrautes, durchaus unwillkommenes Krib beln im Kopf. »Ist mir vorhin gar nicht aufgefallen. Du hast ein neues Handy?«
Darwins linkes Bein war bereits im Fahrzeug. Er verharrte mitten in der Bewegung. »Wie meinst du das?«
»Du weißt doch, wie sensibel ich für die Dinger bin. Da fallen mir solche kleinen Unterschiede eben auf.«
»Ja, sicher. Deshalb habe ich mein Telefon auch schon vor Lucys Haus abgeschaltet und seitdem nicht mehr angemacht. Was genau nimmst du wahr?«
Alex konzentrierte sich auf das elektromagnetische »Klangbild«. »So ein merkwürdiges Pulsieren. Als wäre dein Handy auf Vibrationsalarm gestellt, aber du nimmst nicht ab.«
»Weg von dem Wagen!«, brüllte Darwin.
Alex sah, wie er losrannte, aber sie war viel zu überrascht, es ihm mit gleicher Spontaneität nachzutun. Er lief um das Heck des Griffith herum und packte sie an der Hand.
»Was ist…?«,
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