Die Gegenpäpstin
hatte – warum hatte man seine Leiche in die Kammer der
Frau gelegt und ihn nicht in einer separaten Gruft beigesetzt? |129| Vielleicht lag der Grund darin, daß die beiden etwas verband, von dem bisher niemand gewußt hatte.
Plötzlich kam Sarah die Frage in den Sinn, ob es vielleicht einen Zusammenhang gab, der ihr Schicksal und das von Aaron mit
dem Schicksal der beiden verschwundenen Toten verknüpfte.
Unvermittelt liefen ihr die Tränen über die Wangen. Sie vermißte Aaron, aber noch mehr fehlte ihr die Klarheit, was mit ihm
wirklich geschehen war. Warum hatte er sterben müssen?
Bevor sie den Friedhof verließ, wusch sie sich wie üblich die Hände unter fließendem Wasser und ging dann zu Rolf.
»Soll ich fahren?« fragte er mitfühlend, und sie nickte wortlos.
Während sich der Wagen die engen Straßen heraufschlängelte, hatte es zu dämmern begonnen. Sarah hielt für einen Moment die
Augen geschlossen, und als sie die Lider öffnete, wurde sie von einem hellen Lichtschein geblendet.
»Der Idiot sollte das Fernlicht ausmachen«, schimpfte Rolf und bremste abrupt.
»Das ist eine Straßensperre«, stellte Sarah beunruhigt fest, als sie den schräg aufgestellten Wagen und eine hölzerne Barrikade
vor sich sah.
»Polizei? Oder vielleicht Militär?«
»Sieht nicht so aus«, murmelte Sarah mit einigem Unbehagen. »Sie tragen keine Uniformen. Fahr vorbei!«
»Was? Da steht jemand und winkt mit einer Kelle.«
»Fahr vorbei!«
»Leichter gesagt als getan«, beschwerte sich Rolf, und als er nahe genug herangekommen war, sah er ein paar schwarzgekleidete
Gestalten, die sich gestenreich auf ihren Wagen zu bewegten. Er fuhr langsamer.
»Hast du die Zentralverriegelung heruntergedrückt?«
»Ja.«
Plötzlich gab es einen ohrenbetäubenden Schlag, und Sarah spürte, wie ihr Scherben ins Gesicht flogen. Rolf reagierte geistesgegenwärtig |130| und trat aufs Gas. Er nahm keine Rücksicht auf das, was sich ihm den Weg stellte. Er streifte den vor ihnen stehenden Pick-up
mit der linken Seite ihres Wagens und schob ihn regelrecht herum, indem er wie ein Geschoß die Barrikaden durchbrach.
»Fahr auf die Hauptstraße!« schrie Sarah voller Panik, während Rolf beinahe den Abzweig auf die Neunzig verpaßte. Daß der
kleine Wagen mehr als 200 PS unter der Motorhaube hatte, bewährte sich nun zum ersten Mal. Wie ein Rennfahrer gab Rolf Gas,
während Sarah sich immer wieder umdrehte, um sicherzugehen, daß ihnen niemand folgte.
In Tiberias bogen sie auf die Siebenundsiebzig ab. Hier herrschte zum Glück dichter Verkehr.
»Wo sollen wir hin?« Rolf blickte Sarah fragend an.
»Zur Uni«, sagte sie gepreßt. »Dort sind wir einigermaßen sicher. Der Campus wird bewacht.«
»Fahr den Wagen in die Tiefgarage«, befahl Sarah atemlos, nachdem sie die Sicherheitskontrollen der Universität Haifa passiert
hatten. Der Wachmann hatte zwar argwöhnisch ihren ramponierten Wagen angeschaut, doch nachdem Sarah ihren Dienstausweis gezückt
hatte und ihm versicherte, daß alles in Ordnung sei, hatte er die Schranke ohne Zögern geöffnet.
Im fahlen Neonlicht der Tiefgarage zeigte sich das ganze Ausmaß der Karambolage. Der linke Kotflügel war ziemlich demoliert,
und die Motorhaube hatte auch etwas abbekommen. Der linke Scheinwerfer war kaputt und die Stoßstange eingedrückt.
»Du meine Güte!« entfuhr es Sarah. »Wie konnte so etwas nur passieren?«
»Keine Ahnung«, sagte Rolf. »Denkst du, wir haben einen Polizisten auf dem Gewissen?«
»Wie kommst du darauf?«
»Ich habe jemanden angefahren, da bin ich mir ganz sicher.«
»Nein«, erwiderte Sarah nachdenklich, während sie sich unsicher |131| in der menschenleeren Tiefgarage umsah. »Ich traue unseren Polizisten ja einiges zu, aber daß sie ein Auto demolieren, bevor
sie den Insassen Gelegenheit gegeben haben, zu stoppen und auszusteigen, halte ich für unwahrscheinlich.«
»Wer war es dann?«
»Keine Ahnung.« Sie sah ratlos auf. »Ich hab Angst, Rolf, und weiß noch nicht mal, vor wem. Wann geht unser Flug nach Deutschland?«
»Um neun Uhr fünfzehn.«
»Gut, dann müssen wir nur noch diese eine Nacht hier überstehen.«
Der Morgen war kühl und klar, und das Karmel-Gebirge zeigte sich von seiner besten Seite, als Sarah und Rolf Markert gegen
sechs Uhr früh ins Taxi zum Flughafen stiegen.
Der Weg nach Tel Aviv zum Airport Ben Gurion führte noch einmal an der Strecke vorbei, die Aaron und Bergman vor knapp einer
Woche
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