Die geheime Welt der Frauen
nachgedacht.«
Sima nickte. »Sie machen sich natürlich Sorgen um Alon.«
»Ja, aber nicht …« Timna stützte die Ellbogen auf den Tisch und strich sich über die Arme. »Tatsächlich hab ich mich gefragt, ob ich nicht aus Angst bei Alon bleibe.«
Sima spürte, wie die Kälte zurückkam, eine Nässe, die über sie floss wie Regen über die Scheibe eines schnell fahrenden Autos. Zuerst Art und Connie, jetzt das - sie durfte nicht zulassen, dass eine weitere Liebe zerbrach. »Aber Sie haben doch keine Angst«, sagte sie, »von allen Frauen, die ich kenne …«
Timna ging mit ihrer Tasche in der Hand zur Umkleidekabine. »Das stimmt nicht«, erwiderte sie, schlang ihr ungewaschenes Haar zu einem lockeren Knoten und zog sich die Lippen nach. Sie redete weiter, während sie ihr Make-up erneuerte und sich mit einem zerknüllten Papiertaschentuch die Reste grauer Wimperntusche abwischte. Sie gab zu, wie ein Kind geweint zu haben, als Alon sich für ein weiteres Jahr in der Armee verpflichtete und sie zu ihm gesagt habe, sie könne nicht ohne ihn leben. »Ich war so schwach«, fügte sie hinzu, »hatte so entsetzliche Angst, allein zu sein.«
»Aber Timna, jetzt sind Sie in New York, sind ganz allein hierhergekommen.« Sima beobachtete, wie Timna sich zu ihr umdrehte, und war überrascht über ihre Verwandlung in der kurzen Zeit: ein wenig Make-up, das Haar zurückgestrichen, und der Eindruck von Traurigkeit war vollkommen getilgt. »Wenn das nicht mutig ist, dann weiß ich nicht.«
»Es war nicht mutig. Ich hatte Streit mit meiner Mutter und hab mir ein Ticket gekauft, um ihr eins auszuwischen.« Timna ging zum Tisch, setzte sich wieder und erzählte Sima, dass ihre Mutter ihr Zimmer in einen Abstellraum verwandelt habe, als sie in der Armee war, und als ihre Dienstzeit schließlich vorbei gewesen sei, habe sie sich geweigert, sie wieder bei sich einziehen zu lassen. »Ich schrie, bis ich heiser war«, sagte Timna. Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Also hab ich meine Kusinen in New York angerufen und einen längeren Besuch abgemacht. Und dann waren meine Mutter und Alon sauer, was ich wohl beabsichtigt hatte.«
Sima sah Timna an und bemühte sich, einen Ausdruck von Geduld, von Weisheit aufzusetzen. »Timna, es spielt keine Rolle, warum Sie sich entschieden haben zu reisen«, erklärte sie, »sondern dass Sie sich entschieden haben und den ganzen Weg allein gekommen sind. Jeder wäre nervös, wenn er sich plötzlich aufmachen und an einen neuen Ort ziehen müsste.«
»Aber die Sache ist die, dass ich immer noch einfach auf Alon warte.« Timna löste den Knoten und schüttelte das Haar aus. »Ich tue so, als wollte ich unbedingt reisen, aber mein ganzes Leben steht praktisch still, während ich auf ihn warte.«
Sima sah Timna an, die sich hinter ihrem Haar verbarg. Wie jung Timna war, dachte sie, wie unwissend - die Angst ließ nach, als Sima an ihrer neuen Verantwortung Gefallen fand: weil sie besser als Timna wusste, was richtig war. Sie schnalzte mit der Zunge, tadelte sie, erinnerte sie daran, dass sie erst vor Kurzem in Philadelphia gewesen sei, einen Ausflug in die Hauptstadt plane. »Timna«, sagte sie, »Sie sind immer auf dem Sprung, die ganze Zeit auf Reisen. Sie wissen gar nicht, wie sehr ich Sie beneide.«
Timna runzelte die Stirn. »Beneiden Sie mich nicht, Sima. Das ist nicht fair.«
»Ich meine ja bloß«, sagte Sima, beschämt, dass ihr freimütiges Geständnis, ihr Neid, so schnell zurückgewiesen wurde.
»Der Neid anderer Leute ist eine zu große Last. Ich wollte nie beneidet werden.« Timna nahm ihr Haar wieder zurück, so straff, dass Sima den rosafarbenen Rand des Haaransatzes sehen konnte. »Sie haben schon recht, dass ich nicht bloß rumsitze«, Timna legte eine Hand ans Ohr und rieb leicht ihr Ohrläppchen, »aber ich glaube, ich muss vielleicht einfach mal eine Weile völlig frei sein.« Sie strich mit dem Finger über die Nähnadel. »Warum wollen Sie überhaupt, dass ich bei Alon bleibe? Sie haben ihn doch noch nicht mal kennengelernt.«
»Die Dinge, die Sie mir erzählen«, begann Sima, »ich kann spüren …«
Timna beobachtete sie und wartete.
»Was soll ich sagen? Ich schätze, ich denke einfach, wenn jemand einen glücklich macht, wirft man das nicht weg.« Sima blickte zu Boden und konzentrierte sich auf einen alten gelben Fleck auf dem Linoleum. »Wie heißt es so richtig«, fügte sie hinzu, »es ist nicht gut, allein alt zu werden.«
»Ja?« Timna tippte ein, zwei
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