Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
doch Ende 1979 deine Fotos aus dem Krieg gezeigt?“ Er blickte erstaunt, konnte sich nicht vorstellen, worauf ich hinauswollte. „Ja.“
„Auf einem dieser Bilder warst du mit einem russischen Berater abgebildet. Tscherkassow war sein Name. Hast du ihn in den letzten Jahren wiedergesehen?“
„Ich habe ihn noch einmal gesehen, in meiner Zeit am Verteidigungsministerium. Er hat einen grässlichen Vortrag gehalten über den Umgang mit und die Verhörpraktiken von gefangenen Mudschaheddin. Ich habe sofort bei meinem Schwiegervater interveniert, dieser hat mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister gesprochen und darauf gedrungen, dass Tscherkassow keine weitere Vorträge mehr halten darf.“
„Und hattest du Erfolg?“
„Nur teilweise. Er har nur noch in kleinem Kreis und vor ausgewählten Offizierskadern zwei oder drei Vorträge gehalten.“
„Ich habe diesen Tscherkassow heute auf dem Basar gesehen. Er stand keine zehn Meter vor mir an einem Stand und er wirkte sehr verdächtig.“ Ahmed schob seine Brille, die nach vorne gerutscht war, auf den oberen Nasenteil zurück. „Unmöglich. Du musst dich irren.“
„Ich irre mich nicht. Er war es. Hundertprozentig.“ Ahmed schüttelte mehrmals den Kopf. „Tscherkassow ist kurz vor dem Rückzug der Russen mit zwei weiteren Besatzungsmitgliedern eines Hubschraubers ums Leben gekommen. Der Hubschrauber wurde kurz vor Kandahar von einer Boden-Luft-Rakete getroffen und ist abgestürzt. Nur der Pilot hat schwer verletzt überlebt. Die Leichen der anderen drei hat man nach Moskau überführt.“ Mir wurde klar, dass es keinen Sinn hatte, Ahmed von meinem späteren Treffen mit Will Smith zu erzählen, selbst wenn ich ihn überzeugen könnte, dass die beiden identisch waren und Tscherkassow nicht durch den Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen sein konnte, würde wohl kaum eine der offiziellen Behörden oder Sicherheitsorganen dieser Geschichte Glauben schenken. Zumal man als Täter wohl keinen ehemaligen sowjetischen Berater präsentieren wollte.
Wir tranken noch ein Glas Wein, irgendwie spürte jeder von uns, dass wir uns nie wieder sehen würden. Ich spürte dies nicht nur, sondern wusste es genau. Mein Lächeln beim Anstoßen wirkte wohl recht traurig und resignativ.
Unter diesen Umständen fiel mir der Abschied von Ahmed und seiner Familie besonders schwer, wir hatten alle Tränen in den Augen, und ich wusste, dass ich nicht einmal den Versuch unternehmen konnte, etwas rückgängig zu machen, da ich die Sanduhr nicht mehr besaß. Aber ich war auch froh und erleichtert, als unsere Maschine vom Rollfeld des International Airports abhob. Bald würden wir in der Heimat, würden wir in einem sicheren Land sein. Es sollte noch etwas dauern, bis ich begriff, dass es solch ein sicheres Land oder sicheren Flecken Erde nicht mehr gab, vielleicht auch nie gegeben hatte.
21. Kapitel
Es dauerte einige Wochen, bis wir die vielen Eindrücke unserer Reise auch nur ansatzweise verarbeitet hatten. Den Schock des Anschlages zu überwinden, dauerte Monate. Durch die ständigen Behandlungen in der Hals-, Nasen- und Ohrenabteilung des Vivantes Krankenhauses im Friedrichshain wurde Monique noch stärker als ich an den Anschlag und das bittere Ende unseres ansonsten so erfüllten Aufenthaltes in diesem fernen Land erinnert. Der behandelnde Arzt schimpfte mit ihr, dass sie bereits einen Tag nach der Verletzung den weiten Flug nach Deutschland angetreten hatte. „Durch den Unterdruck in großer Höhe und bei den vielen Stunden Flugzeit hätte sie ihr linkes Gehör völlig verlieren können.“ Er hatte recht, daran hatten wir in diesem Augenblick überhaupt nicht gedacht. Wir wollten einfach nur so schnell wie möglich nach Hause. Und ich wurde wieder daran erinnert, dass ich mit meinem Versuch, dem Attentat zu entgehen, alles noch viel schlimmer gemacht hatte: Für Monique war aus dem Schreck und Schock des Raketenangriffes nun ein Trauma und ein bleibender, wenngleich dank des chirurgischen Könnens des Arztes halbwegs erträglicher Hörverlust von zwanzig Prozent geworden.
Ich überlegte, was als Nächstes auf uns zukommen würde. Ich rief mir 1991 ins Gedächtnis und atmete auf, ein ungefährlicher, schöner und sehr erholsamer Frühsommerurlaub auf Ibiza lag vor uns. Mehr Kopfzerbrechen bereitete mir der Gedanke an unseren ersten Amerikaurlaub 1992. Wir waren nach Fort Lauderdale an Floridas Ostküste geflogen. Beim Verlassen des Airports in Miami hatte ich ein
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