Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
Mannschaft gefreut und über die Heilung meines Geisteszustandes.
Jetzt würde alles noch schlimmer werden. Das begriff sie natürlich sofort. „Vielleicht solltest du nicht weiter wetten. Wir haben über zehntausend Euro gewonnen. Das ist doch eine Menge Geld. Wir können im Urlaub leben wie die Fürsten.“
„Nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dies ist die Chance, vielleicht die einzige und letzte, alle unsere Wünsche zu erfüllen. Es kommen nach der Europameisterschaft noch einige Spiele, an die ich mich auch gut erinnern kann, aber wenn wir diese Wetten nicht abschließen, werden wir wohl nie wieder die Gelegenheit erhalten, um an das große Geld zu kommen.“ Meine Frau war erstaunlich nüchtern in ihrer Art, vielleicht erinnerte sie sich an das Märchen vom Fischer und seiner Frau. „Uns geht es doch gut. Zu viel Geld macht nur unglücklich. Stell dir vor, wir hätten jetzt eine Million und deine Voraussagen bezüglich der Finanzentwicklung treffen ein, wir müssten nächtelang grübeln, wie wir das Geld retten wollen, welche Möglichkeiten einer halbwegs sicheren Anlage es noch geben könnte, jeden Tag zittern, wie viel wir schon wieder verloren haben. Was man nicht hat, kann man auch nicht verlieren.“ Nach einer Pause fügte sie hinzu: „Außerdem bin ich altmodisch, mein Vater hat immer gesagt, Wettgeld ist kein rechtschaffen verdientes, kein ehrliches Geld. Wenn du mir deine hellseherischen Fähigkeiten unter Beweis stellen willst, schreib doch alle Ergebnisse hier auf den Zettel. Wenn die realen Ergebnisse bis Jahresende alle, oder zumindest die meisten davon, mit deinen Voraussagen übereinstimmen, werde ich dich in Zukunft behandeln und bewundern wie Nostradamus.“
Ich hätte auf meine Frau hören sollen. Aber zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass ich der begründeten Überzeugung bin, dass mehr als 99,9% aller Menschen in meiner Lage auch weiter gewettet hätten.
Am Abend des 29. Juni 2008 waren die deutschen Fußballanhänger um eine Enttäuschung und ich um insgesamt dreiundvierzig Tausend Euro reicher. Ich hätte bei Ebay einen wunderbaren Blüthner-Flügel für dreiundzwanzigtausend Euro ersteigern können, aber unglücklicherweise bekam ich am 30. Juni ein Werbeprospekt von meinem Mazda-Händler. Ich nahm dies als einen Schicksalswink. Vor über dreißig Jahren hatte ich auf der Leipziger Messe die Produktpalette dieses Herstellers gesehen, nicht etwa als Autos zum Anfassen oder als Modelle, sondern nur auf großen farbigen Hochglanz-Plakaten abgebildet. Das Bild des RX7 habe ich nie wieder vergessen. Kein Porsche oder Ferrari haben mich bei ihrem Anblick je so begeistern können. Trotz ihrer weitaus höheren Preise. Die Produktentwicklung wollte, dass die Produktion des RX7 eingestellt wurde. Aber es gab seit einigen Jahren den Nachfolger, den Mazda RX8. Und der gefiel mir fast genauso gut und die Technik war natürlich nicht schlechter geworden. Nach dem Durchblättern des Prospektes gab es für mich keinen Zweifel mehr. Der Blüthner konnte warten, im August folgte das nächste Spiel der deutschen Mannschaft. Meine Frau zuckte nur die Schultern, als ich ihr meinen Entschluss mitteilte, vom gewonnenen Geld ein neues Auto zu kaufen. „Es ist dein Geld. Mach damit, was du willst.“
Das hatte ich auch vor. Bereits einen Tag später saß ich dem Verkäufer gegenüber, er nahm die Palette meiner Sonderwünsche entgegen. „In der von Ihnen geforderten Ausstattung haben wir das Fahrzeug bei keinem unserer Händler in Deutschland vorrätig, aber ich denke, wenn ich heute in Japan bestelle, können sie sich in spätestens sechs Wochen den Wagen abholen. Eine wirklich gute Wahl, wenn ich dies sagen darf. Wenn ich es mir leisten könnte, würde ich genau diesen Wagen fahren.“
Schön, dass die Autoverkäufer so nette Menschen sind, warum kann bloß eine Lidl- oder Aldi-Verkäuferin nicht ein ähnliches Lächeln aufsetzen und ähnlich ehrliche Worte finden. Vielleicht sollte man die Gehälter und Provisionen angleichen.
Mein netter Verkäufer tippte die Zahlen ein, lobte seine eigene Großzügigkeit bei dem eingeräumten Rabatt und kam summa summarum auf einen Endbetrag von 41.999 EUR. Das passte, fast zu gut. Ich zählte die Tage bis zur Auslieferung. Die ersten Monate bis zu meinen Bemühungen, die kapitalistische Wirtschaftsordnung zu retten, waren recht eintönig verlaufen, manches, ja sogar das meiste, war bloße und bewusst erlebte Wiederholung. Aber dieses Gefühl der
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