Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
Geschichte meiner Sanduhr hören und konnte dann diese und andere Bemerkungen neu einordnen. Da mir die Mitarbeiter des Projektes bekannt waren, wollte ich dieses Wissen zumindest nutzen, um etwas über den Fortgang „der psychologisch-propagandistischen Beeinflussung der vom imperialistischen Joch befreiten Westberliner und BRD-Bürger“ zu erfahren. Im Herbst sprach ich einen wissenschaftlichen Assistenten eines Nachbarbereiches an, von dem ich wusste, dass er bei der ersten Zusammenkunft dabei gewesen war. „Was macht die psychologische Kriegsführung, seid ihr mit dem Projekt vorangekommen oder hat der Oberst falsche Vorstellungen von unseren Möglichkeiten und Forschungsaufgaben?“ Der Assistent wurde puterrot im Gesicht, er druckste herum, wusste offensichtlich nicht, was er antworten sollte. Ich half ihm. „Du brauchst dir wegen der Geheimhaltung keine Gedanken zu machen, ich habe schon im Vorfeld von dem Projekt gewusst und sollte eigentlich teilnehmen, aber ich habe so viele andere Dinge am Hals, vor allem durch meine journalistische Tätigkeit in Berlin, dass mir einfach die Zeit für solche zusätzlichen Aufgaben fehlt. Außerdem könnte ich mit meinem abstraktem Forschungsgebiet kaum etwas zu einer solchen Bewusstseinsbeeinflussungsstrategie beitragen.“ Der Assistent war beruhigt, als er vernahm, dass ich zu den Eingeweihten gehörte. „Du hast nicht viel verpasst. Die Zusammenarbeit ist in der letzten Woche, beim dritten Treffen, bereits eingestellt worden. Dem Oberst waren unsere Beiträge und Vorschläge viel zu theoretisch, ohne praktischen Nutzen. Er hatte sich wohl mehr erhofft. Nur Dr. Müller von den Psychologen soll wohl hin und wieder nach Berlin ins Ministerium fahren, um an den dortigen Sitzungen der Sondergruppe teilzunehmen. Ich bin froh, dass die Sache eingestellt wurde. Erstens hatte ich kein gutes Gefühl bei der Geschichte und zum anderen fehlt mir genauso wie dir die Zeit für solche Zusatzaufgaben.“
Die Auskunft befriedigte mich, wusste ich doch diesmal mehr als im ersten Leben. Es war auch beruhigend, dass die Universitätswissenschaftler und Philosophen doch mehr Theoretiker als praktische und aktive Kriegsvorbereiter waren. Weniger beruhigend, aber aus meinem Kenntnisstand von 2008 her keineswegs verwunderlich, empfand ich die Tatsache, dass die Militärs, und sicher nicht nur die der DDR, auch in der zweiten Hälfte der 80er Jahre ernsthaft die Option von Krieg und Gewalt in ihr Kalkül zogen. Ich denke, die wenigsten Bürger in Deutschland oder in Europa haben damals geahnt, wie schnell die Umwälzungen, die massiv 1989 begannen, zu einem militärischen Großkonflikt hätten eskalieren und die Welt in ein absolutes Chaos führen können. Was ich aber selbst beim zweiten Mal des Durchlaufens dieser dreißig Jahre anfangs noch nicht ahnte, war die Tatsache, dass es Kräfte gab, die bewusst und aus Überzeugung „Chaos“ auf ihre Fahne geschrieben hatten.
16. Kapitel
Ich versuchte, die Veranstaltungen für die ich verantwortlich war, durch Anekdoten und Beispiele aus Filmen oder Büchern zu beleben. Als ich einen Vortrag über den Zusammenhang von Wissenschaft und Gesellschaft und über die soziale und politische Determination der Wissenschaft halten sollte, fiel mir ein Film ein, der scheinbar mit der Thematik gar nichts zu tun hatte. „Münchhausen“. Josef von Bakys Ufa-Farbfilm von 1943 mit Hans Albers in der Hauptrolle, einer der besten Filme, die je gedreht wurden. Ich hatte ihn, zumindest in Teilen, das erste Mal in „Willi Schwabes Rumpelkammer“ gesehen, einer Mittwochabendsendung des DDR-Fernsehens, in der Ausschnitte aus alten deutschen Tonfilmen gezeigt wurden und man einiges über die Umstände der Entstehung und Geschichte der jeweiligen Filme und Anekdoten über die Hauptdarsteller erfuhr. Die Reihe erfreute sich in der DDR-Bevölkerung, vor allem bei den älteren Bürgern, einer großen Beliebtheit. In meinem Kleinkunstkino konnte ich den Film das erste Mal in voller Länge und in der Farbfassung sehen. Ich war begeistert und sah mir den Film am nächsten Tag ein zweites Mal an. Dabei fiel mir die Stelle auf, die ich mir als Aufhänger für meinen Vortrag merkte. Einige der Abenteuer des Barons von Münchhausen spielten in Venedig. Er wurde in dortige politische Intrigen verwickelt. Ein Erfinder und Ballonfahrer war eingeladen worden, um unter dem Blicken des Volkes mit seinem Ballon aufzusteigen. Vor diesem Schauspiel wurde der Erfinder vom Dogen
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