Die Geier
verpfändet«,
entgegnete der Chirurg. »Für nichts und wieder nichts.
Aber diesmal gibt es wirklich keine Rettung mehr.«
Der Blick des Milliardärs verriet eine gewisse Verärge-
rung.
»Haben Sie nie daran gedacht, daß Pamelas geneti-
scher Zwilling zwangsläufig mit denselben Allergien
geplagt sein muß?« beharrte er in einem völlig respekt-
losen Ton. »Daß er beim ersten Wespenstich vermutlich
eine prächtige Geschwulst bekommen hat? Daß er in je-
dem Frühjahr an Asthma leidet? Daß seine Haut sich
entzündet, wenn sie mit Kupferlegierungen in Berüh-
rung kommt? Daß er eine Plakette bei sich tragen muß,
die auf seine Allergie gegen Tetanusserum und Penicil-
lin verweist? Und daß er letzten Endes wegen dieser Al-
lergien gezwungen ist, einen Arzt aufzusuchen?«
Diesen letzten Satz schrie er förmlich heraus. Faszi-
niert hörte Zorski ihm zu. Er hatte das makabre Gefühl,
einer riesigen Hornisse dabei zuzuschauen, wie sie ver-
sucht, sich aus einem Spinnennetz zu befreien.
»Irgendwo existiert eine Karteikarte dieses Doppel-
gängers«, sagte Sirchos schließlich. »In irgendeiner
Krankenhausabteilung oder in den Archiven eines Spe-
zialisten. Ich habe meine ganze Organisation eingesetzt,
um diesen Zwilling ausfindig zu machen . . . «
»Na und?« unterbrach ihn Zorski.
Sirchos war verwirrt und zögerte.
»Wie bitte?«
»Wenn Sie ihn irgendwo zwischen Grönland und
Neuguinea gefunden haben, was wollen Sie dann tun?
Werden Sie ihm vorschlagen, Ihnen sein Herz zu ver-
kaufen?«
Mit eiskalten Augen starrte der Milliardär den Arzt
an.
»Lassen Sie dieses Problem meine Sorge sein, Doktor
Zorski. Beschränken Sie sich darauf, sich für die Opera-
tion bereitzuhalten . . . «
Zentimeter für Zentimeter war Mustapha Moussis
Wohnung durchsucht worden, doch außer einigen miß-
lungenen, entweder zu hell oder zu dunkel eingefärbten
Fotokopien, die in einem Papierkorb lagen, hatten die
Polizisten nichts finden können. Die meisten Kopien
waren unleserlich, völlig unentzifferbar, und die weni-
gen anderen bezogen sich auf banale Unfälle, die aus
europäischen Tageszeitungen stammten. Man hatte
ebenfalls das leere Versteck unter der Badewanne ent-
deckt und bemerkt, daß in der ganzen Wohnung keiner-
lei Koffer oder Tragetaschen vorhanden waren und im
Kleiderschrank nur noch zwei beinahe funkelnagelneue
Anzüge sowie einige von Motten zerfressene Klamotten
hingen. Offensichtlich hatte Moussi die Wohnung be-
reits vor einigen Tagen verlassen.
Das Fotokopiergerät war mit einem Hauptzähler und
einem Tageszähler ausgestattet. Der erste Zähler be-
sagte nichts, da das Gerät bestimmt gebraucht gekauft
worden war, doch der zweite Zähler gab eine beachtli-
che Zahl an. Mescard kratzte sich am Kopf und wandte
sich an einen seiner Kollegen.
»Läßt sich herausfinden, ob dieses Gerät in letzter
Zeit in Betrieb war?« fragte er.
Der andere zuckte mit den Schultern und konnte ihm
keine Antwort geben.
Der Inspektor versagte sich eine Grimasse. So was
nennt sich ultramoderner Polizist, mein Gott! Er legte
seine Hand flach auf die gläserne Platte des Geräts und
drückte auf den Einschaltknopf. Eine grünliche Leucht-
röhre bewegte sich mit einem leisen öligen Geräusch
rasch hin und her. Das Gerät surrte noch einige Seku-
nen lang, bevor es erneut ausschaltete. Allerdings kam
keine Kopie herausgeglitten. Inspektor Mescard run-
zelte die Stirn. Einen Augenblick lang fingerte er am
Gerät herum, dann gelang es ihm, es zu öffnen. Ein völ-
lig zerknittertes und zerfetztes Blatt war unter der
Trommel hängengeblieben. Der Polizist zog einige Fet-
zen hervor und versuchte, sie wieder zusammenzuset-
zen. Nur ein einziges Stück der Überschrift war zu ent-
ziffern: Zu Händen Anwalt Jean-Louis Vo ... Der Rest war völlig verwischt und von dicker Tinte bedeckt, mit der
Mescard sich schließlich Hände, Gesicht, Hemd und
Hose beschmierte.
Im alltäglichen Ritual, das sich im Saint-Louis-Flügel
des Amerikanischen Hospitals abspielte, beendete Dok-
tor Loic Gaborit seine letzte Operation dieses Morgens:
Entfernung eines faustdicken Gallensteins. Dann eilte
er sogleich unter die Dusche. Er war sehr schlecht ge-
launt. Einige Stunden zuvor hatte man ihn wegen einer
dringlichen Operation gerufen: Brustkorbblutung bei
einem etwa zwanzigjährigen Soldaten. Eine ungeheure
Blutung, die bereits die ganze linke Seite der Brust über-
flutet
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