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Die Geliebte des Normannen

Die Geliebte des Normannen

Titel: Die Geliebte des Normannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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einen Weg durch die Menge bahnen und sie quer durch den Saal zur nächsten Treppe bringen. Zu ihrer Überraschung ließ Henry sie dort allein; er verabschiedete sich mit einem letzten hämischen Blick und einer höflichen Verbeugung.
    Auf dem Treppenabsatz ging es ruhiger zu. Marys Herz begann sich zu beruhigen, die kleine Pause erleichterte sie. »Wohin gehen wir eigentlich?«, fragte sie.
    »Den König begrüßen, natürlich.«
    Ihr Herz begann von Neuem furchtsam zu hämmern.
    Am oberen Treppenabsatz trafen sie auf eine Gruppe von Edelfrauen, eine Wolke aus kostbarer Seide und prächtigen Brokaten, berauschenden Parfums und gepuderten Gesichtern. Stephen trat höflich zur Seite, ohne jedoch Mary loszulassen. Die Ladys passierten sie und warfen Mary ebenso verwunderte wie ihrem Verlobten begierige Blicke zu. Eine der Frauen hielt inne. Ihr dunkles, verführerisches Wesen ließ den Knoten in Marys Bauch noch fester werden. Die Frau ignorierte sie, sie hatte nur Augen für Stephen. »Mylord«, hauchte sie mit einer tiefen, belegten Stimme und sank zu einem tiefen Knicks nieder.
    »Das ist nicht nötig, Mylady«, sagte Stephen.
    Sie richtete sich auf, ließ sich jedoch kaum dazu herab, Mary zu bemerken. Sie war bemerkenswert schön, groß und sinnlich, ihr Haar dunkler als die dunkelste Nacht, die Augen schwarz und betörend. Mary hatte keine Zweifel, dass dies eine seiner Geliebten war, so verführerisch wie sie sich gab.
    »Ich möchte Euch beglückwünschen, Mylord«, sagte die Verführerin leise.
    »Das ist sehr nett von Euch.«
    Sie schlug die langen Wimpern nieder, und dann warf sie ihm einen Blick zu, der Mary entrüstete.
    »Ich hoffe, wir können Freunde bleiben.« Ihr Ton war nun sogar noch aufreizender. Mary war sicher, dass er diese Frau sehr gut kannte.
    Stephen schürzte in einem Versuch zu lächeln die Lippen.
    »Wie Ihr wollt, Mylady«, erwiderte er und verbeugte sich kurz. Dann zog er Mary mit sich und ließ die Frau an der Treppe stehen.
    Mary hasste dieses Weib. Der Hass erfüllte sie mit solcher Kraft, dass ihr Herz donnerte und sie kaum mehr Luft bekam. Sie hatte das Wortspiel der beiden sehr wohl verstanden! Seine Geliebte beabsichtigte, die Beziehung mit ihm trotz der Heirat aufrechtzuerhalten.
    »Ihr zittert schon wieder«, bemerkte Stephen mit einem Blick auf sie.
    »Ihr habt mir versprochen ...« Sie brachte es nicht heraus. Und selbst während sie sprach, wusste ihr Verstand, dass es ihr gleichgültig sein sollte. Aber, bei Gott, es war ihr nicht gleichgültig.
    Der Blick aus seinen dunklen Augen traf den ihren. »Enthaltsam zu sein? Das habe ich, Mary. Ihr könnt beruhigt sein.«
    Ein Teil ihres Ärgers und der unglaublichen Eifersucht verschwand.
    Er mochte ein verräterischer Normanne sein, doch sie hielt ihn für einen Mann, der zu seinem Wort stand. Was immer zwischen ihm und der anderen gewesen war, das war nun vorüber.
    »Ihr müsst mir vertrauen, Mary«, murmelte Stephen.
    Seine freundlichen, tröstend gemeinten Worte lösten in ihr einen überwältigenden Drang zu weinen aus. Sie war einfach vollkommen überreizt.
    Inzwischen hatten sie einen anderen Saal betreten, größer und höher noch als der vorherige, offensichtlich gehörte er zur königlichen Suite. Hier warteten etwa ein Dutzend Männer und etwa ebenso viele Frauen und unterhielten sich; es herrschte wesentlich weniger Aufregung als im unteren Saal.
    Dennoch gab Marys Herz keine Ruhe, so sehr sie auch versuchte, sich einzureden, dass sie keinen Grund hatte, ängstlich zu sein.
    »Die Gemächer des Königs sind dort drüben.«
    Stephen deutete mit einem Kopfnicken zur anderen Seite des Raums, wo zwei Bewaffnete eine starke, zweiflügelige Eichentür bewachten.
    Mary hasste sich für ihre Feigheit und folgte Stephen, und sie war froh um seine Hand auf ihrem Arm. Er sprach kurz mit den Wachmännern, und der eine verschwand hinter der Tür.
    Einen Augenblick später erschien er wieder und ließ sie, begleitet von zwei Saaldienern, eintreten.
    Der König stand in der Mitte des Zimmers, während ein Geistlicher aus einer Schriftrolle vorlas – es klang wie die Inventarliste eines Landguts. Der König hörte nicht zu; er blickte erwartungsvoll in Richtung der Tür.
    Im ersten Augenblick sah Mary niemanden sonst im Raum, so farbenprächtig war William Rufus.
    Er trug ein langes, silbernes Unterkleid und darüber eine Tunika in dem leuchtendsten Purpur, das Mary je gesehen hatte. Beide Gewänder waren reich mit Silber- und

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