Die Genesis-Affäre: Mind Control (German Edition)
Stunden hinauf und wieder herunterfuhren. Was er nicht bedacht hatte, war, dass über dem Restaurant eine Aussichtsplattform existierte, die zu dieser Jahreszeit stark frequentiert wurde.
Auf der anderen Seite des kleinen Steges, der über den See zum Café führte, stand Ruschkows Schatten, der so tat, als würde er sich die Auslage eines Schaufensters anschauen. Faktisch behielt er Ruschkow im Auge. Seit Mauerfall hatte er auf diese Gelegenheit gewartet, ihm die Leiden in Hohenschönhausen heimzuzahlen. Nun war es so weit und er war fest entschlossen, sich durch nichts von seiner persönlichen Rache abbringen zu lassen. Lena Jansen wusste nichts von seinen Plänen, was auch gut war. Sie hätte alles darangesetzt, ihn davon abzubringen.
Ruschkow klappte sein Mini-Notebook auf, stellte eine Funkverbindung zum Server in Falkensee her und kontrollierte den Countdown. Es lief alles nach Plan. Zufrieden packte er das Notebook wieder in seine Tasche, wo sich auch ein großes Laptop befand, das später zum Einsatz kommen sollte.
Immer wieder kreiste sein Blick, damit ihm nichts entging, was sich in unmittelbarer Nähe zutrug. Zwei Kinder bespritzten sich gerade mit Wasser und ein Bettler versuchte sein Glück bei den ersten Touristen, die ins Center kamen. Niemand ahnte etwas von einem bevorstehenden Terroranschlag.
»Darf ich Ihnen noch etwas bringen?«, wurde Ruschkow plötzlich von der Kellnerin angesprochen. Er bestellte rasch eine weitere Tasse Kaffee, um nicht unnötig lange abgelenkt zu werden.
Kurz darauf läutete sein Handy mit der Anzeige unbekannt. Dutronc konnte es nicht sein, auch niemand sonst aus der Organisation. Ruschkow entschied sich, den Anruf einfach zu ignorieren. In dieser Aktionsphase wollte er sich nicht durch Unbeteiligte stören lassen. Allerdings ließ sich der Anrufer nicht so schnell abwimmeln. Beim dritten Versuch nahm Ruschkow schließlich das Gespräch entgegen.
»Hallo«, sagte er in einem barschen Tonfall und nahm gleichzeitig einen Schluck Kaffee.
»Guten Tag«, hörte er den Anrufer sagen, »mein Name ist Talert.« Ruschkow verschluckte sich fast. Wie konnte er den Strahlen entkommen? Hatte die Anlage versagt oder war Talert einfach zu schlau gewesen? Wütend zerknüllte Ruschkow eine Seite der Tageszeitung. Schon damals war Talert ihm überlegen gewesen. Er war der einzige Häftling, dessen Willen Ruschkow nicht brechen konnte, was ihn heute noch maßlos ärgerte. Irgendwann hätte er es geschafft, war er sich sicher, wenn es nicht zum Mauerfall gekommen wäre.
»Was wollen Sie von mir?«, fragte Ruschkow, ohne zu wissen, dass Talert in Sichtweite war und jede seiner Bewegungen beobachtete.
»Genugtuung für alles das, was Sie mir angetan haben!«, betonte Talert. Er war derart hasserfüllt, dass ihm alles egal geworden war, sogar, selbst kriminell zu werden. So gesehen hatte Ruschkow es doch geschafft, ihn zu brechen, denn ohne ihn, wäre Talert niemals zu solchen Überlegungen fähig gewesen. Abgrundtiefe Verachtung veränderte einen Menschen, ob er es wollte oder nicht.
»Wie soll das aussehen?«, fragte Ruschkow, der sich absolut überlegen fühlte und sich sogar etwas über Talerts Anmaßung amüsierte. Niemand konnte ihm irgendetwas anhaben, war er der festen Überzeugung, weder hinsichtlich Genesis, noch in Bezug auf seine Stasi-Vergangenheit.
»Eine Millionen Euro halte ich als Entschädigung für das, was Sie mir angetan haben, für angemessen«, forderte Talert und konnte geradezu hören, wie Jan Ruschkow schluckte. Er sah, wie er erschrocken die Tasse abstellte und dabei Kaffee verschüttete. Er sah hinunter, ob seine Hose etwas abbekommen hatte.
»Habe ich Sie etwa erschreckt?«, fragte Talert. Ruschkow schöpfte keinen Verdacht, dass er ihn sehen konnte.
»Ich habe Sie wohl unterschätzt«, antwortete er, um Zeit zu gewinnen.
»Da sind Sie nicht der Erste. Eine Millionen Euro und ich meine es ernst. Sie können ja Ihren alten Kader anzapfen«, provozierte ihn Talert. »Bezahlen Sie nicht innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden, werde ich mich an die Öffentlichkeit wenden. Es wird alles gesagt, was Sie sich damals als Stasi-Offizier und heute als Terrorist zuschulden kommen ließen. Ich liefere Sie ans Messer, und wenn ich Sie bis ans Ende der Welt jagen muss. Ihre Zeit ist abgelaufen, Marschall.«
Ruschkow erschrak ein weiteres Mal.
Über zwanzig Jahren war es her, seit er seinen Stasi-Decknamen zuletzt gehört hatte. Ruschkow saß wie elektrisiert
Weitere Kostenlose Bücher