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Die Gesichter der Zukunft

Die Gesichter der Zukunft

Titel: Die Gesichter der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Moskowitz
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zum Strand. Johnny trabte durch nassen Sand und zerbrochene Muscheln. Ein fischiger Geruch erregte ihn. Es könnte ein toter Hai sein, aber vielleicht auch wieder nicht. Als die Witterung stärker wurde, machte Johnny einen schwarzen Umriß aus, der sich von seiner etwas weniger dunklen Umgebung abhob. Plötzlich erschien dort eine kleine gelbe Flamme, hing einen Moment in der Luft und erlosch, einen winzigen roten Punkt zurücklassend. Offenbar hatte jemand eine Zigarette angezündet. Johnny wanderte vorsichtig näher und machte die gebeugte Gestalt des Rauchers aus, die auf dem Kajütendach kauerte.
    Er ging ins Wasser, dankbar für die Unsichtbarkeit, die sein schwarzer Pelz ihm gewährte. Das Fahrzeug war ein gewöhnlicher Fischkutter mit niedrigem Rundheck. Johnny kletterte an Bord und erreichte das Kajütendach über den halbhohen Aufbau des Maschinenraums. Welche Methode sollte er anwenden? Wahrscheinlich könnte er dem Mann mit einem Biß das Genick brechen; aber der Wächter trug einen Südwester aus dickem und glattem Ölzeug, das einen guten Griff erschweren würde. Machte er ein Geräusch, so würde der Mann sich umwenden und die Kehle exponieren – aber das würde ihm Gelegenheit geben, seine Waffe ins Spiel zu bringen. Die beste Methode war augenscheinlich die einfachste. Johnny richtete sich auf und hob eine Tatze.
    Fünf Minuten später hatte er den Leichnam ins Wasser geworfen und saß nun selbst auf dem Kajütendach, den Südwester auf dem Kopf, das Ölzeug um die Schultern und das schwere automatische Gewehr in den Tatzen. Er hoffte, daß niemand die verspritzte Gehirnmasse bemerken würde. Dann erschien das Licht mehrerer Taschenlampen im Dschungel des Uferstreifens, und die elf Männer kamen über den Strand. In ein paar Augenblicken waren sie an Bord und stießen den Kutter mit langen Stangen vom Ufer ab, wobei es viel Geschrei und gebrüllte Befehle gab. Ein paar von ihnen riefen zu Johnny herauf, kümmerten sich aber nicht weiter um ihn.
    Der Diesel hustete und sprang tuckernd an, und der Kutter schob sich rückwärtsfahrend durch die Brandung ins tiefe Wasser, stoppte, drehte und nahm gemächlich Fahrt auf.
    Johnny dachte fieberhaft nach. Er hatte am Strand nichts unternehmen wollen, aus Angst, die Bande würde ihre Drohung gegen die Wissenschaftler wahrmachen. Aber was sollte er jetzt machen? Sie hatten ihre Gewehre und Maschinenpistolen abgelegt, aber die meisten von ihnen trugen Pistolen in Achselhalftern, und wenn sie erkannten, daß ein Bär auf ihrem Kajütendach saß, würden sie einem allgemeinen menschlichen Prinzip folgen und das Feuer eröffnen.
    Er könnte versuchen, sie mit dem automatischen Gewehr niederzumähen. Doch auf einem Kutter dieser Art gab es zu viele Möglichkeiten, Deckung zu finden. Außer den Positions-Laternen gab es nur in der Kajüte Licht, und mehrere Männer waren unter Deck gegangen. Er könnte ein paar von ihnen erwischen, aber elf zu eins war ein zu riskantes Verhältnis.
    Was das Töten anging, so waren Johnnys Hemmungen, elf feindliche Menschen umzubringen, genauso gering wie die Hemmungen dieser Menschen, einen schwarzen Bären zu vernichten. Aber er wollte eine Schießerei unter allen Umständen vermeiden, denn sie konnte nur seine Niederlage bedeuten.
    Steuerbords schienen die Lichter von Frederiksted naß über das Wasser. Die kleine Stadt war einen knappen Kilometer entfernt. Er mußte sich rasch entscheiden. Er konnte nicht bis zur Dämmerung bleiben, wo er war, und sich entdecken lassen, wenn der Kutter irgendwo zwischen Puerto Rico und Hispaniola die hohe See durchfurchte.
    Die Gangster waren unter Deck gegangen. Geräusche, die durch das Kajütendach drangen, deuteten an, daß die Männer sich auf ihre Weise entspannten. Ein Mann kam aus der Kajüte, stellte sich mit dem Rücken zur Reling und brüllte durch das Rauschen der Wellen, das dünne Singen des Windes und die gedämpften Explosionen des Glühkopfdiesels: »He, Angelo, komm ’runter und trink einen!«
    Johnny wußte, daß er nicht länger warten durfte. Warum war er diesen Gangstern nachgejagt? Hatte er nicht genug getan, indem er die Ziegen gerettet hatte?
    »Was ist los? Willst du warten, bis du eine extra Einladungskarte kriegst?«
    Johnny erhob sich auf seine Hinterbeine und ergriff mit der linken Pranke den Antennenmast, denn der Kutter stampfte und schlingerte beträchtlich. Der Mann schrie: »Okay, Angelo!« und verschwand in der Kajüte. Johnny warf sein Ölzeug ab und stieg

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