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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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erinnerte, waren die beiden Käsehändler Mann und Frau, obwohl sie sich ähnlich genug sahen, um Bruder und Schwester zu sein. Beide trugen das Symbol des Ranges eines Ratsmitglieds an ihrer streng riechenden Tunika. Rani reckte ihr Kinn und schritt durch den Markt, als befände sie sich vollkommen im Recht. Sie zwang sich, die Käseverkäufer als königliche Eskorte zu betrachten.
    Als Rani zu Nardas Stand kam, entschwand eine Kundin eilig in der Menge, ihre gerade gekauften Eier hatte sie vorsichtig in einen kunstvoll geflochtenen Korb gelegt. Narda sah ihre frühere Helferin durch trübe Augen blinzelnd an, und Rani hörte Enttäuschung aus den Worten der alten Frau heraus. »Ich hatte gehofft, nicht auf den Rat zurückgreifen zu müssen.«
    »Das braucht Ihr auch nicht, Herrin.« Rani reagierte unwillkürlich.
    »Ich sehe mein Ale nicht. Du hast es vermutlich geschafft, mein Geld irgendwo auf dem Marktplatz zu verlieren?«
    »Ihr braucht mich nicht ›Diebin‹ zu schimpfen, Herrin«, sagte Rani mit nervösem Blick zu den Ratswächtern, da sie fürchtete, sie würden sie bei ihrer Erklärung unterbrechen.
    »›Diebin.‹ ›Vandalin.‹ Ich nenne dich so, wie ich es für angemessen erachte. Ich gab dir Geld, und du kehrst ohne Ale zurück – was soll ich sonst sagen.«
    Auf Nardas ärgerliche Geste hin, traten die Wachhunde des Rates näher heran.
    Rani hatte während ihres Lebens als Händlertochter ein grundlegendes Prinzip gelernt: Alle Menschen waren käuflich. Als sie eine Hand in den Beutel an ihrem Gürtel steckte, entwickelte sie schließlich einen Plan. Noch während sich ihre Finger an dem zarithianischen Messer vorbeitasteten – eine Waffe, die sie jetzt nicht zu benutzen wagte –, spürte sie den kühlen Kuss einer eingekerbten Metallmünze. Sie nahm die Hand wieder hervor und blickte auf das quadratische Metall hinab.
    Rani konnte sich noch an ihre Aufregung erinnern, als sie die fremde Münze gefunden hatte, vor dem Haus ihrer Familie, aufrecht zwischen zwei Pflastersteinen steckend. Sie konnte Bardos Stimme hören – Bardo hatte sie geschlagen –, als er ein Loch in die fremde Münze trieb, die Spiralen in dem gebürsteten Silber aber vorsichtig verschonte. »Hier, Kleine. Das ist ein seltener Fund – es wird jemandem Leid tun, das in der Stadt verloren zu haben.«
    Rani hatte die Münze an einem Lederband um den Hals getragen und nicht nur als Geld aus einem fremden Land geschätzt, sondern als etwas Wunderschönes, was ihr Bruder für sie gestaltet hatte. Sie erinnerte sich selbst jetzt noch an Bardos müheloses Lächeln, als er ihr die Münze über den Kopf streifte. »Feiner Schmuck für die Lady Ranikaleka«, hatte er gescherzt, ihren Namen in den einer Adligen verwandelnd, und sie hatte bei dem törichten Klang gelacht, auch wenn sie stolz die Brust reckte, um ihren Reichtum besser zeigen zu können. Weil Bardo sie für sie durchbohrt hatte, weil Bardo sie für sie gestaltet hatte, war die Silbermünze für Rani weitaus mehr wert als die Handvoll Bonbons, die sie dafür vielleicht hätte kaufen können.
    Tatsächlich hatte sie die Münze getragen, bis sie ihr Leben im Gildehaus begann, während sie häufig von dem Reichtum und dem Glück geträumt hatte, welche das fremdländische Geld ihr einbringen würde.
    Nun konnte sie sich bei der Erinnerung kaum dazu bringen, das Metallquadrat zu berühren. Was hatte ihr Bruder getan? Wie hatte er sie bezaubert? Wie hatte sie seinen reinen Zorn bei der Entdeckung der Tätowierung auf seinem Arm vergessen können?
    Als sie an die Strafe zurückdachte, die sie vor so langer Zeit bekommen hatte, spürte Rani Widerstand in ihrem Inneren aufkommen. Auch wenn sie Bardos grobe Behandlung vergessen hatte, wusste sie nun, dass er nicht nur der liebende Bruder war, als der er ihr erschienen war. Die Tätowierung war ein geheimes Zeichen, und Rani wusste, dass ihre verschlungenen Kreise auch auf dem Herzen von Tuvashanorans Mörder ruhten. An ihrem Bruder war mehr, als man mit bloßem Auge erkennen konnte.
    »Was hast du da? Noch mehr Waren, die du einem ahnungslosen Händler gestohlen hast?« Nardas harte Worte brachten Rani ruckartig zu ihrem gegenwärtigen Dilemma zurück.
    An einem einzigen tragischen Vormittag hatte die Münze, die Bardo für sie aufgefädelt hatte, ihre Macht als Amulett gegen alles, was junge Mädchen ängstigte, verloren. Nun konnte sie einem letzten Zweck dienen – sie von der Bestrafung durch den Rat zu befreien –, wenn sie

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