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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Absicht, ihren Adjutanten mit zufällig belauschten Geschichten über die Vergangenheit seiner Familie zu verletzen. Ranis Atem gefror in ihrer Kehle, während sie sich bemühte, die geflüsterte Geschichte zu verstehen. »Rabes Mutter wollte ‘nen Händler bestehlen – seltene Waren, die wahrscheinlich nirgendwo sonst inner Stadt zu finden waren – und wollte die Schätze zurückverkaufen, später, wenn der Händler erkannte, wie dringend er die Waren brauchte. Sie hatte das Ganze durchgeplant, zu stehlen, wenn nur ein Lehrling im Laden wär, und an den Händler selbst zurückzuverkaufen. Sie überlegte sich, dass sie mehr rausschlagen könnte, wenn sie sich ‘nen Händler im Viertel anstatt aufm Markt rauspickte – der Rat is hier zu stark, beobachtet solche wie uns zu genau. Nein, sie hat ihren Plan gut ausgearbeitet. Ich will dich nich’ mit Einzelheiten langweilen. Es reicht zu sagen, dass sie ‘n guten Profit gemacht hat.«
    Rani nickte. Sie wusste aus erster Hand von solchen betrügerischen Tricks. »Das hat meinem Vater auch jemand angetan.« Sie erschauderte, als sie sich an den Zorn ihrer Familie und an ihr eigenes, entsetzliches Schuldgefühl erinnerte. »An einem Tagesende kam eine zerlumpte, alte Frau herein, und es gelang ihr, zwei Zinnlöffel zu stehlen. Zwei Löffel und zwei Schuhschnallen.«
    Rani enthielt Mair vor, dass sie für den Diebstahl verantwortlich war. Es war der erste Tag, an dem ihr Vater sie jemals im Laden allein gelassen hatte, während er kaum eine halbe Stunde fort war. Aus irgendeinem lange vergessenen Grund waren Ranis Mutter und ihre Geschwister anderweitig beschäftigt. Rani konnte sich selbst jetzt noch daran erinnern, wie die schmuddelige Unberührbaren-Frau den Laden betrat. Rani hatte gewusst, dass keine Unberührbaren-Frau einen rechtmäßigen Grund besaß, sich im Laden ihres Vaters aufzuhalten. Aber sie war zu dem Zeitpunkt noch ein kleines Kind, das Respekt gelernt hatte, und konnte eine Erwachsene daher wohl kaum aus dem Laden weisen.
    Natürlich hätte sie genau das tun sollen, wie ihr Vater ihr später deutlich klarmachte. Er hatte sofort gemerkt, dass die Löffel und Schnallen fehlten, und hatte Rani heftig gescholten, weil sie nicht besser auf seine Waren aufgepasst hatte. Sie war schließlich spät in jener Nacht eingeschlafen, erschöpft, nachdem sie während des Abendessens, der Abendgebete und der gesamten Haushaltsverrichtungen geweint hatte. Ihr Vater hatte ihr nicht einmal die Würde zugestanden, den Schaden von ihrem kleinen Vorrat gesparter Münzen zurückzuzahlen. Auch wenn die verlorenen Waren nur aus Zinn bestanden hatten, waren sie doch mehr wert als Ranis magere Ersparnisse.
    Rani konnte sich noch immer an die wirre Hoffnung erinnern, die ihr die Brust verengt hatte, als die Unberührbaren-Frau den Laden zwei Wochen später erneut betreten hatte. Die verschlagene, alte Hexe hatte die Zinnwaren sorgfältig gescheuert und ihr Bestes getan, die glatten Oberflächen zu zerkratzen, so dass Ranis ungeübtes Auge die Schätze zunächst tatsächlich nicht erkannt hatte. Doch noch während sich Ranis Puls beschleunigte, hatte schon Bardo neben ihr gestanden, und er verschwendete keine Zeit mit der Feststellung, dass es sich um die gestohlenen Waren handelte. Da war etwas an den Schnallen – sie kamen aus einer fernen Ecke des Reiches und wiesen auf der Rückseite eine spezielle Schließvorrichtung auf, eine einzigartige Windung, deren sich kein anderer Händler rühmen konnte.
    Rani konnte sich rückblickend noch immer an den lodernden Zorn in Bardos Augen erinnern. Er hatte sich jedoch nicht anmerken lassen, dass er seine eigenen Waren zurückkaufte. Bardo hatte mit der Unberührbaren-Frau gehandelt und den Handel so abgeschlossen, als wäre sein Herz nicht wirklich daran beteiligt. Er zahlte kostbares Silber aus, zählte es in die schmutzige Handfläche der Diebin, anscheinend ohne zu erkennen, dass er mindestens drei Mal mehr Münzen auszahlte, als es, wie Rani wusste, dem Wert der Waren entsprach.
    In dieser Nacht rang Rani mit entsetzlichen Träumen, während sie unter den Dachsparren schlief, warf sich auf dem Meer der Schnarchgeräusche ihrer Schwestern hin und her. Sie bildete sich ein, die Ladentür sich mindestens zwei Mal öffnen und schließen zu hören, und sie erwachte häufig aus einem unsteten Schlummer und erwartete, eine gesetzlose Bande von Unberührbaren den Laden plündern zu sehen.
    Bardo kam am nächsten Morgen spät zum

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