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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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ihren Peiniger zu reden. »Es muss sein, bitte. Vielleicht können wir ihn anhand seines Äußeren eines Tages finden.«
    Nach kurzem Zögern schilderte Kairas ihn als einen hochgewachsenen, dunkelhaarigen Mann mit weichen Zügen und einem kurz geschnittenen Bart. Seine Haare seien von grauen Strähnen durchzogen, auf der Stirn habe er ein Mal. Seine Sprache sei vornehm, ebenso seine Kleidung.
    »Er sagte, er besitzen viel Land, reicher Mann. Deshalb ich haben ihm geglaubt.«
    Cristins Gedanken stockten. Ein noch undeutliches Bild entstand vor ihrem inneren Auge, das Bild eines gut gekleideten Mannes von etwa vierzig Lenzen, auf dessen rechter Seite seiner hohen Stirn ein daumengroßes Blutmal prangte. Das Bild wurde klarer und ließ sie unwillkürlich die Luft anhalten. Sie hatte diesen Mann schon mal gesehen, seine Gestalt erinnerte sie an jemanden, dem sie des Öfteren begegnet war. Er sah aus wie dieser Mann … Er war manchmal in Lukas’Geschäft gewesen. Konnte das sein, oder waren das nur neue Hirngespinste, die sie verwirrten? Ihr Herz schlug schneller. Ebenso bei dem Fest, das Lukas kurz vor seinem Tod gegeben hatte. Ganz deutlich konnte sie den Mann vor sich sehen, so nahe, als bräuchte sie nur die Hand auszustrecken, um ihn zu berühren. Mein Gott. Er war einer der Schöffen gewesen, als man sie verurteilt hatte. Einen Augenblick lang betrachtete sie das Antlitz des Mannes. Hans Klingbeil nennst du dich?
    Das Bild verschwand. Der Name blieb. Hilmar Lüttke, der Salzhändler. Der Mann mit dem Blutmal auf der Stirn. Medicus Küppers, dessen Leib nun in der Erde ruhte. Und Lynhard Bremer, ihr Schwager, der nichts dabei fand, seine Frau mit ihrer früheren Lohnarbeiterin zu betrügen. Sie alle waren in schmutzige Geschäfte verwickelt. Ich werde herausbekommen, was diese Männer miteinander zu tun haben, so wahr mir Gott helfe, schwor sie sich. Während sie das zitternde Mädchen an sich drückte, dachte sie an Baldo. Bei ihrem Abschied hatte er gesagt, er werde sich die nächsten Tage als Bettler in Lübeck herumtreiben. Vielleicht konnte er oder Piet etwas über Lüttke herausfinden.
    Während Cristin, Kairas und Sarah, deren Zurückhaltung langsam schwand, ihr Frühstück beendeten, erzählte ihr Kairas, dass die anderen Mädchen, die sich im oberen Stockwerk der Kogge befanden, allesamt aus Litauen und Polen stammten. Was die Tochter des Tuchhändlers erlebt hatte, war anscheinend kein Einzelschicksal, sondern es schien ein ausgeklügelter Plan zu sein, junge Frauen mit falschen Heiratsversprechungen nach Lübeck zu locken. Andere waren laut Kairas sogar gegen ihren Willen auf Schiffe verschleppt und über die Ostsee ins Deutsche Reich geschafft worden. Wenn sie den Beschreibungen der anderen Frauen Glauben schenken durfte, war der Mann mit dem Blutmal auf der Stirn stets daran beteiligt. Von einem der anderen Mädchen erfuhren sie außerdem von dem plötzlichen Tod des Knochenhauers, der am frühen Morgen leblos in seinem Haus aufgefunden worden war. Es hieß, er wäre an einem langen Leberleiden zugrunde gegangen.
     
    Gegen Abend betrat Baldo die sich langsam füllende Schänke, wo er sich an einem freien Tisch niederließ und einen Krug Wacholderbier bestellte. Als Cristin den Humpen vor ihn hinstellte, erzählte sie ihm, was sie von Kairas erfahren hatte, und beschrieb ihm auch das Aussehen des Salzhändlers.
    »Einen Kerl mit einem Mal auf der Stirn? Den hab ich heute Morgen bei der Beerdigung von Küppers gesehen, in Begleitung eines anderen Pfeffersacks. So wie die beiden sich benahmen, müssen sie enge Freunde von ihm gewesen sein.«
    Sie beugte sich über den Tisch und senkte die Stimme. »Du warst bei der Beerdigung des Medicus?« Manchmal war Cristin über Baldos Kaltblütigkeit mehr als überrascht.
    Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Ein paar Pfennige haben sie mir zugeworfen. Dachten wohl, ich sei ein Bettler.«
    Er pfiff durch die Zähne. »Saubere Herren waren das.«
    »Allerdings. Zumindest, wenn die Schilderungen der Mädchen der Wahrheit entsprechen. Aber daran zweifle ich nicht. Warum sollten sie sich derartige Schauermärchen ausdenken?« Sie dachte an das Gespräch mit Kairas zurück. Wenn auch nur ein Fünkchen der Geschichte stimmte, wurde es Zeit, diesem Scheusal das Handwerk zu legen.
    »He, Agnes. Hast du nichts zu tun, oder wieso stehst du da herum?«, erscholl es vom anderen Ende der Schänke.
    »Ist nur mein Mann, der mal nach mir schauen will«, rief sie der Wirtin

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