Die Grabstein-Clique
Wüste kommen und er raubte beiden Frauen den Atem. Nach der Sonne suchte man vergeblich. Wenn sie überhaupt zu identifizieren war, dann nur noch als eine verwaschene und ausgelaufene Zitrone.
Am Buschwerk entstand Bewegung. Zweige wurden zur Seite geschoben und gebrochen. In der Stille war das Knacken sehr deutlich zu hören. Im nächsten Moment erschien ein Mann, der den beiden Frauen zuwinkte. Seine Hände sahen so ungewöhnlich dunkel aus. Cora winkte zurück. »Wer ist das?« fragte Clara.
»Unser Freund Skip Archer. Der einzige Mann zwischen uns drei Frauen. Lady Anne wirst du noch kennenlernen.«
»Ja, ja…«
Sie gingen schneller. Trotz des dicken und langen Gewandes spürte die Nonne die Hitze nicht. Und wenn sie sich innerlich heiß fühlte, dann lag es einzig und allein an ihrer Erwartung, die sich von Sekunde zu Sekunde steigerte.
Das letzte Stück war besonders steil. Clara hörte sich selbst keuchen, dann streckte ihr der Mann seine Hand entgegen, um sie hochzuziehen. Nein, das war keine Hand, so sah die Pranke irgendeines monströsen Tieres aus.
Sehr dunkel, dazu behaart mit langen, ebenfalls dunklen Nägeln, die wie kleine Messerspitzen vorstanden und zuckten, als wollten sie die Haut aufkratzen.
Die Pranke griff zu, mit einem Ruck zerrte sie die Nonne dem Gestrüpp entgegen, in das sie förmlich hineinbrach und dessen trockenes Geäst unter ihr zusammenkrachte.
Sie blieb auf dem Bauch liegen, keuchte, dann faßten die Pranken wieder zu und zerrten sie hoch.
Mit zitternden Knien blieb sie stehen, sah das Grabmal und sah es trotzdem nicht, weil ihre Aufmerksamkeit von der vierten Person abgelenkt wurde.
Sie trug ein elegantes, hochgeschlossenes, jetzt angeschmutztes Kleid. Um ihren Hals lag eine Perlenkette. Das lange schwarze Haar war dicht und floß wie ein lockiger Vorhang bis zu ihren Schultern, wo es mit den Spitzen auflag.
Zu dieser Frau hätte ein feines, aristokratisch geschnittenes Gesicht gepaßt.
Doch der Teufel hatte auch bei ihr seine Spuren hinterlassen oder sein Zeichen gesetzt.
Er hatte sich das Gesicht der Lady Anne Forrester ausgesucht. Es war ein häßliches Stück Monster mit verschieden großen Augen, die zudem noch unterschiedlich hoch lagen, einem verschobenen Mund mit aufgerissenen, blutverschmierten Lippen und einer zerfetzten Haut, in die zahlreiche kleine Rasierklingen hineingehackt zu haben schienen. Ein schreckliches Gesicht, aber Clara Montera sah es anders an. Für sie war es ein Antlitz des Teufels, der seine Diener so schuf, wie er sie haben wollte.
Auch sie zeigte sich.
Ihre Zunge schnellte aus dem Mund. Sie schlug Kreise, als wäre sie ein Lasso.
Lady Anne Forrester kam auf sie zu. Als sie ihren Namen mit den schiefen, aufgerissenen Lippen flüsterte, huschten kleine Blutperlen aus ihrem Mund und tropften zu Boden.
»Willkommen, Schwester! Du bist die letzte. Auf dich haben wir alle gewartet.«
Die Nonne verbeugte sich. Sie umarmte Anne Forrester, die dann zur Seite trat, um dem Neuankömmling den Blick freizugeben, denn auch sie sollte das Grabmal des Bösen sehen.
Clara ging vor. Ihre Beine zitterten, sie hatte Jubelschreie ausstoßen wollen, aber dazu kam es nicht mehr, denn sie konnte ihren Blick nicht von dem nehmen, was sich da ausbreitete. Es war einfach nicht zu fassen, es war zu gewaltig und gleichzeitig enttäuschend. Das Grabmal war zerstört!
Wie ein Schock traf sie der Anblick. Die schweren Steine lagen kreuz und quer übereinander, sie wirkten wie zerhackt, und sie verteilten sich auf einer bestimmten Fläche, die aussah wie verbrannte Erde, so grau und schwarz, zudem noch stinkend.
Schlimmer konnte ein Hort des Satans nicht sein!
Man ließ Clara in Ruhe, damit sie sich zunächst an diese außergewöhnliche Umgebung gewöhnen konnte. Einige Schritte ging die Nonne vor, bis sie die verbrannte Erde erreicht hatte und merkte, daß sich unter ihr etwas tat.
Sie lag zwar ruhig, aber sie spürte dennoch das Zittern und die Unruhe im Erdboden, als könne es der Teufel selbst nicht erwarten, an die Oberfläche zu kommen, um dort seinen fauchenden Atem auszuhauchen.
Noch blieb er unten.
Noch sah sie ihn nicht, noch spürte sie ihn nur und auch eine gewisse Qual, die ihn umgab, weil er sein Grabmal vermißte, das zerstört vor ihren Füßen lag.
Clara Montero sprach zu ihm, obwohl sie ihn nicht sah. Sie beschwor ihn mit ihren Worten und flüsterte ihm zu, daß sie gekommen war, um alles wiedergutzumachen.
Gab er Antwort?
Sie hatte das
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