Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
zu.
Flemming überhörte es. »Außerdem meint Dan, dass es sich um ein künstlerisches Statement handelt, weil die beiden ansehnlichen Mädchen nicht sexuell erregend wirken, obwohl sie nackt sind. Als ob der Regisseur uns erklären will, dass wir Männer diese zwangsprostituierten Frauen nicht als Sexualobjekte betrachten sollen, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht. Aber das versteht man wohl erst richtig, wenn die Filme untertitelt sind.« Er räusperte sich. »Wenn Jo gleich etwas für uns übersetzt, wenn sie durchhält, müssen wir ein paar Vernehmungen unter uns aufteilen. Ich selbst spreche mit Henriette Kurt und Elisabeth Lund und hätte gern Janssen dabei.«
»Der kann ja bekanntlich gut mit Frauen«, warf Claus Bosse grinsend ein.
»So ist es, ganz genau«, bestätigte Flemming. »Und du darfst auch ein bisschen trainieren, Bosse. Du und Holck, ihr fahrt zu deiner alten Freundin Merethe Finsen und fühlt ihr noch ein bisschen mehr auf den Zahn. Pedersen, besorg einen estnischen Dolmetscher, und schafft René Holgersen her. Setz ihn einfach ins Verhörzimmer, bis ich wiederauftauche. Es wird ihm guttun, ein wenig nachzudenken.«
»Was sollen wir die Leute fragen?«, erkundigte sich Janssen.
»Wir müssen herausfinden, worum es bei Chick Support Global eigentlich geht. Wenn es wirklich irgendeine heimliche Loge gibt, die illegale Einwanderer versteckt, müssen wir das aufdröseln.« Flemming schaute noch einen Moment auf die sechzehn Fotos. »Checkt noch einmal die Alibis sämtlicher Beteiligter. Und sehr gründlich. Vor allem von Elisabeth Lund, Merethe Finsen und René Holgersen hätte ich gern eine wirklich gute Erklärung.« Er bewegte unbeabsichtigt den Cursor, sodass er von einem Foto zum nächsten glitt und die beiden Frauen ein ums andere Mal zum Leben erweckt wurden und wieder erstarrten. »Und Pedersen, würdest du bitte das Foto von John Frandsen an sämtliche Polizeistationen des Landes weiterleiten. Wir müssen ihn erwischen, bevor noch mehr passiert.«
Tobias war im Doppelbett seiner Großmutter eingeschlafen. Er lag auf der gesteppten Designerbettdecke und hatte einen hellblauen Schnuller im Mund, der zufrieden auf und ab wippte.
Nanna und Regitze saßen nebeneinander. Erst jetzt, als wieder Ruhe im Wohnzimmer eingekehrt war, fiel Dan auf, wie klein Nanna war und dass sie ein Hörgerät trug. Regitze bemerkte, dass er ihre Tochter betrachtete.
»Nanna wurde mit dem Turner-Syndrom geboren«, sagte sie. »Wenn Ihnen das etwas sagt.«
»Äh, ich habe möglicherweise schon mal davon gehört.«
Nanna ergriff selbst das Wort. »Es ist ein Chromosomenfehler, der neben vielen anderen Symptomen zur Folge hat, dass ich nie so groß wie andere erwachsene Frauen werde, obwohl ich eine Menge Wachstumshormone bekommen habe, als ich noch jünger war.« Sie warf ihrer Mutter einen Blick zu, bevor sie fortfuhr: »Und ich werde keine eigenen Kinder bekommen. Das können Frauen mit dem Turner-Syndrom nicht.«
»Bist du ein Einzelkind?«
Wieder ein Blick zwischen Mutter und Tochter. »In gewisser Weise«, antwortete Regitze. »Nanna hatte mal einen kleinen Bruder. Er starb als Säugling.«
Bilder von Laura und Rasmus flimmerten an Dans innerem Auge vorbei, er musste sich zwingen, den Abstand zu wahren. »Es tut mir leid«, sagte er. »Das wusste ich nicht.«
»Ich laufe ja auch nicht mit einem Schild um den Hals herum, auf dem steht, dass ich meinen Sohn verloren habe, oder?« Sie hob das Kinn und wirkte ein wenig arrogant, obwohl es sicher nur der Versuch war, Fassung zu bewahren. »Ich bin darüber hinweggekommen. Das muss man ja.«
»Und Ihr Mann?«
»Hat sich immer nur um seine Arbeit gekümmert. Nach Mortens Tod hat er einen Tag freigenommen. Einen einzigen.« Sie blickte auf ihre Hände. »Vermutlich trauert er trotzdem nicht weniger als ich. Ich weiß es nicht. Er zeigt es jedenfalls nie.«
»Erzählen Sie mir die Geschichte von Tobias bitte von Anfang an.« Dan trank einen Schluck kalten Tee. »Ich muss wissen, was passiert ist, wenn ich Ihnen helfen soll.«
»Sagen Sie mal, auf was für eine Vereinbarung läuft das hier eigentlich hinaus?«
»Sie erzählen mir alles, was Sie über dieses Hilfsnetzwerk Chick Support Global wissen, oder wie Sie es nennen.« Er stellte die Tasse beiseite. »Und dafür erzähle ich niemandem, was ich über Tobias weiß. Ich vergesse diesen Teil der Geschichte einfach. Aber Sie können leider nicht davon ausgehen, dass ich den Rest von all
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