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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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behagte Kilian nicht, das war offensichtlich. Eingehend betrachtete er seine Fingerspitzen.
    »Lassen Sie uns nun über das Angebot sprechen, das ich Ihnen machen möchte, Gottschalkin.« Er hob den Kopf und lächelte.
    »Erlauben Sie, dass ich mich erhebe? Meine alten Knochen mögen es nicht, wenn ich sie zu lange in ein und derselben Haltung belasse.« Er legte die Hände auf dem Rücken zusammen, sobald er stand, passierte mit gemächlichen Schritten die Verbindungstür zum Nebenzimmer und blieb schließlich mit dem Rücken zum Fenster stehen.
    »Der Vorschlag, den ich Ihnen jetzt unterbreite, wird in Kollegenkreisen auf völliges Unverständnis stoßen, darüber bin ich mir im Klaren. Doch das stört mich nicht. Der Fortschritt fordert ungewöhnliche Mittel und mutige Weggefährten.«
    Endlich schien er ihre Ungeduld zu bemerken und strapazierte sie mit einem weiteren kleinen Schweigen.
    »Könnte es Ihnen gefallen …«, begann er, wobei er jedes Wort einzeln betonte, »könnte es Ihnen gefallen, die Ausbildung der Hebammen an meinem Institut mit Ihrer Erfahrung zu leiten?«
    Es war ihr unmöglich, darauf etwas zu sagen, so heftig setzten sich ihre Gedanken in Bewegung, die eine Vielzahl von Möglichkeiten erwogen, aber auch ebenso viele Fragen. Professor Kilian sprach unterdessen weiter. Von der Empfehlung des Richters Homberg und dessen Frau, von der Unterstützung, die dieser ihm beim Landgrafen zukommen lassen wollte. Von seinen ehrgeizigen Plänen, das Gebärhaus in Marburg zu einem renommierten Ort der Lehre zu machen.
    »Gestatten Sie mir eine weitere Frage.« Kilian räusperte sich. »Ich kam nicht umhin, Ihren Arbeitstisch zu bemerken. Nun – und dieser Kupferstich, den Sie anfertigen ließen …«
    »Sie wollen wissen, woran ich arbeite.«
    »Wenn Sie es mir anvertrauen möchten, so wäre es mir eine Ehre.« Wieder legte er den Kopf schief. Ein freundlicher, weißhaariger Herr, ein erfahrener Arzt letztlich und Gelehrter, wie es ihr Vater gewesen war.
    »Eine Ehre, ach je«, sagte Elgin. »Vermutlich bin ich es, die sich geehrt fühlen muss, nicht wahr?« Sie erhob sich nun gleichfalls von ihrem Stuhl. »Ich fürchte, es ist noch nicht an der Zeit, darüber zu sprechen. Andererseits … warum sollen Sie es nicht wissen? Es ist ein Handbuch, das ich herausgeben möchte.«
    »Eines für Hebammen, darf ich vermuten?«
    »Ja, wenn auch vielleicht nicht ausschließlich. Mein Wunsch wäre, dass es jedem von Nutzen sein kann, der in der Geburtshilfe tätig ist. Ich sehe, Sie finden das anmaßend.«
    Sein Lächeln war dünn.
    »Nun, wie auch immer«, erwiderte er. »Ich habe selbst nicht eben wenige Schriften veröffentlicht, als Geburtshelfer und Wissenschaftler. Und ich muss Ihnen sagen, die Fragen meiner Studenten, oder zu sehen, welche Fehler sie machten, war immer auch eine wichtige Anregung für mich. Ihnen mag das möglicherweise auch mit Ihren Lehrtöchtern so gegangen sein.«
    »Ich hatte nie welche.«
    »Ach. Nicht?«
    »Es ergab sich nicht. Wie viele Schülerinnen hat denn das Gebärhaus derzeit?«
    »Wir sind mit unserem Institut in den Anfängen. Was ich Ihnen biete, ist, die Ausbildung eines neuen Hebammenwesens mitzugestalten. Das Belehren einer Frau durch eine andere wird …«
    »Herr Professor«, unterbrach sie ihn, »ich weiß Ihr Angebot sehr zu schätzen …«
    Kilian hob seine gepflegten Hände, als wollte er im Auditorium um Ruhe bitten.
    »Bevor wir weiterreden, verehrte Gottschalkin«, sagte er sanft, »wird es das Klügste sein, dass Sie sich ein persönliches Bild von meinem Institut verschaffen. In wenigen Tagen beginnt das neue Semester. Reizt es Sie denn nicht, in die Dienste der Universität zu treten? Den Spuren Ihres Vaters zu folgen, gewissermaßen?«
    Er meinte nicht, was er sagte. Mit diesem Gefühl blieb sie zurück, nachdem er sich verabschiedet hatte. Und noch etwas beschäftigte sie.

    Die Frage, was Homberg dazu veranlasst hatte, sie dem Professor anzupreisen, ließ Elgin in den kommenden Tagen keine Ruhe mehr. Was hatte seine Empfehlung zu bedeuten, nachdem er sie wegen ihres Verhaltens im Fall Lene Schindlers derart getadelt und sich enttäuscht gezeigt hatte? Schon einmal hatte sie den womöglich großen Fehler gemacht, nicht mit dem Richter zu sprechen. Sie wollte ihn nicht wiederholen.
    Richter Homberg empfing sie am letzten Abend des August in seinem Haus.
    »Sie könnten damit der Stadt einen Dienst erweisen«, sagte er.
    »Als Wiedergutmachung für meinen

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