Die Heidehexe - Historischer Roman
Furcht stand ihm ins Gesicht geschrieben. Als das verliebte Paar immer ungeduldiger auf das Zubettgehen drängte, fragte er unverblümt: „Darf ich nicht mit euch das Zimmer teilen? Werde mich auch ganz still verhalten. Nur lasst mich heute nicht allein. Zu viele Morde sind im Schloss begangen worden. Und das fahrende Volk weiß, wie es sich Zutritt verschafft.“
„Alwin, das ist unsere Hochzeitsnacht. Die möchten wir zu zweit genießen. Du bist ein kräftiger Bursche von achtzehn Jahren, wirst dich selbst deiner Haut zu wehren wissen, falls ein Unbefugter eindringt. Nun geh zu Bett und schlaf gut. Morgen sehen wir weiter“, wies ihn der Bruder zurecht.
Ohne auf sein Lamentieren einzugehen, fassten sich Victor und Isabella bei den Händen, hüpften schäkernd zur Schlafzimmertür, wo der Edelmann sein angetrautes Weib über die Schwelle trug.
Für die frischgebackene Gräfin war alles fremd und neu, was auf sie wartete. Keusch bat sie ihn, sich umzudrehen und die Kerzen zu löschen, weil sie ihr Brautkleid ausziehen wollte, um es gegen das Nachtgewand auszutauschen.
Victor amüsierte sich köstlich, dass er ihr den Rücken zuwenden und auf die Elfenbilder an der Wand starren musste.
„Was ist mit den Kerzen?“, fragte Isabella.
„Die bleiben an.“
„Oh“, sagte sie, wollte schnell ins Bett huschen und die Daunendecke bis zum Kinn hochziehen. Doch so weit kam sie nicht. Ehe sie es sich versah, stand ihr Gemahl vor ihr. Jetzt war er es, der kein Wort hervorbrachte. Sämtliche Gemälde von Elfen und Feen, die er eben notgedrungen betrachtet hatte, verblassten neben der Traumgestalt, die scheu die Hände vor dem Busen verschränkte.
Ein wasserblauer Hauch von Nichts umhüllte ihren Körper. Durchsichtiger Organza fiel in fließenden Falten bis auf den Boden. Schmale Spitzenträger hielten das Gewebe über den Schultern zusammen, ließen die unbedeckten Brüste über dem Ausschnitt wippen.
„Wahrlich, du bist die Schönste unter der Sonne“, entfuhr es Victor, der sie andächtig bestaunte.
Er entledigte sich seiner Hochzeitsrobe, stand splitternackt im Raum, schien nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen.
„Balder“, flüsterte Isabella verzückt und ließ auf der Stelle das von der Mutter geerbte Nachtgewand auf die Dielen gleiten, noch bevor Victor ihr behilflich zu sein vermochte , schmiegte sich vertrauensvoll in seine Arme.
Weich war das veilchenblaue Himmelbett, in das sie sich sinken ließen. Weich schmeckten auch Victors Küsse und weich erkundeten seine Finger jede Stelle ihres Körpers.
Inmitten ihres erhitzten Geschlechts fühlte er den Liebegipfel eiskalt aus den roten Schamlocken emporragen. Rasch ergriff er eine der Kerzen und leuchtete ihn an. Das flackernde Licht zauberte schillernde Farben auf das durchsichtige Kleinod.
„Es stimmt, Isabella. Es stimmt!“, rief er triumphierend.
„Was stimmt?“, fragte seine Angetraute und rekelte sich lasziv.
Victor sprang auf, riss den Spiegel von der Wand, hi elt ihn über das hell flimmernde Lustgebilde, sodass Isabella es sehen konnte. Staunend betrachtete sie das ständig wechselnde Farbenspiel. „Ist das normal?“, fragte sie neugierig.
„Nein“, antwortete er und versuchte, das Ziehen in seinen Lenden, die sich auf seine Liebste s türzen wollten, zu unterdrücken. „Man sagt, dass den Edelstein die ältesten Töchter der Zigeunerköniginnen erben. Er wird sozusagen von einer Generation an die folgende weitergegeben. Man nennt ihn Maikristall, weil er nur während der Jugendzeit das Geschlecht ziert. Später, wenn die Maienzeit der Königin sich verabschiedet hat, trägt sie einen Lustgipfel wie jede andere Frau.“
Isabella begriff jetzt, worauf die Herzogin und ihre Base Karina angespielt hatten. Es war ihr peinlich, dass so viele Leute von ihrem intimsten Schmuckstück Kenntnis hatten.
„Wozu ist er denn nütze, außer schön auszusehen?“
„Wozu er nütze ist? Na, du stellst Fragen. Er beschert de m liebenden Mann, der sich mit dir vereinigt, Empfindungen, wie sie keine Sterbliche in ihm erzeugen kann. Nur Göttinnen vermögen sonst derart gewaltige Seligkeit zu versprühen.“
„Und was habe ich davon?“
„Auch die Trägerin des Maikristalls erfährt diesen Rausch der Himmelsmächte. Unvorstellbares Glück wird uns beiden heute Nacht und bei jeder Vereinigung widerfahren. Du wirst erleben, dass nichts auf Erden diesem Wunder gleicht.“
„Woher weißt du darüber so gut Bescheid, Victor, wenn er doch nur
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