Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
nickte und war schon dabei, seine Konturen zu verlieren und sich in Nebel aufzulösen, als Reyes ihn am Arm fasste und zurückhielt. „Wie geht’s Sabin?“
„Besser. Er wird wieder gesund.“
Gut. Jetzt verschwand Lucien endgültig. Und da Reyes sich nicht länger von den Jägern beobachten lassen wollte, mobilisierte er seine letzten Kräfte, um die Computerkabel zu durchtrennen. Während er sich daran zu schaffen machte, hörte er die Frauen kreischen und wusste, dass Lucien direkt vor ihnen Gestalt angenommen hatte. Er wollte nicht, dass Danika sich fürchtete, aber noch weniger wollte er, dass sie hier in diesem Haus noch einmal in Gefahr geriet.
Einige Minuten später tauchte Lucien wieder auf. „Du bist der Letzte. Fertig?“
Mehr als die Andeutung eines Nickens brachte Reyes nicht mehr zustande.
Lucien berührte seinen Arm. Als Reyes wieder zu sich kam, stand er in seinem Schlafzimmer in der Burg. Mit weichen Knien taumelte er zu seinem Bett und klammerte sich an den Bettpfosten. „Wo sind die Frauen?“
„Nebenan. Ich helfe dir gleich, mit ihnen fertig zu werden, ich muss vorher nur kurz … die Seelen rufen mich.“ Lucien verschwand. Als er nach einer Weile zurückkam, stank er nach Schwefel. Reyes, der sich keinen Millimeter vom Fleck gerührt hatte, war nicht im Mindesten erstaunt darüber, dass die letzte Ruhestätte der Jäger die Hölle war.
Reyes’ Kopf kippte vornüber, sein Kinn schlug hart gegen die Brust. „Hör zu, du musst für mich in Aerons Verlies gehen.“
„Warum?“
„Bitte. Nimm dein Handy und ruf mich an, wenn du unten bei ihm bist. Wenn ich die Kraft dazu hätte, würde ich selber gehen.“
Mit verwirrter Miene verschwand Lucien abermals. Schon nach weniger als einer Sekunde klingelte Reyes’ Handy. Mit fahrigen Fingern nahm dieser ab und bellte ein kurzes „Bist du da?“ in den Hörer.
„Ja“, antwortete Lucien.
Hinter seiner Zimmertür hörte Reyes Stimmengemurmel. Er hätte seinen linken Arm dafür gegeben – und zwar im wörtlichen Sinne –, wenn er zur Tür hätte gehen und lauschen können. Aber letztlich brauchte er das gar nicht, denn jetzt konnte er deutlich hören, wie Danika mit ebenso sanfter wie resoluter Stimme ihre Familie beschwichtigte. Seine Mundwinkel schoben sich leicht nach oben. Meine kleine Soldatin.
Er musste sie sehen.
Seine überwältigende Sehnsucht nach ihr gab ihm neue Kraft, wie eine anbrandende Welle, die seinen Körper durchströmte, und brachte ihn tatsächlich wieder auf die Beine. Er setzte einen wackeligen Fuß vor den anderen, schob den Türriegel beiseite und legte seine Finger um den Türknauf.
„Reyes, bist du da?“
Lucien.
„Ja, bin ich. Hör zu, letzte Nacht hat mir Danika von einem Traum erzählt, den sie hatte“, flüsterte er, damit ihn die Frauen nicht hörten. „In diesem Traum war sie in der Hölle. Sie hat die Dämonen dort gesehen und gehört – und auch deren Opfer. Das Problem ist, Lucien: Ich glaube nicht, dass es ein Traum war.“
Aus dem Telefon klang statisches Rauschen. Der Empfang im Kerker war miserabel. „Ich verstehe dich nicht.“
„Wenn ich … mit ihr schlafe, dann werde ich irgendwie aus meinem Körper herausgeschleudert und finde mich im Himmel wieder. Ich glaube, dass Danika ein Tor ins Jenseits ist.“
„Bist du sicher? Vielleicht bist du …“
„Ich bin mir sicher. Das letzte Mal hat mich sogar ein Engel angesprochen.“
„Götter im Himmel!“
„Das kannst du laut sagen!“
„Aber was hat das alles mit Aeron zu tun?“
„Nicht mit Aeron. Mit seinem Freund.“
„Dem kleinen Dämon?“ Entsetzen lag in Luciens Stimme. „Reyes, erklär mir das alles von Anfang an und so, als wäre ich ein kleines Kind. Warum der kleine Dämon?“
„Erinnerst du dich an den Jäger, den Danika getötet hat? Nun, den hat sie in der Hölle gesehen, wie er gerade von einem Dämon über das Allsehende Auge ausgefragt wurde.“
Das Rauschen des Telefons wurde lauter. „Die Auswirkungen des Ganzen könnten verheerend sein.“
Das war Reyes klar. „Frag den Dämon, warum seine Freunde Informationen über Danika haben wollen.“
Trotz des schwachen Empfangs hörte man deutlich, wie an Gitterstäben gerüttelt wurde. Dann drangen, nicht weniger laut, finstere Flüche aus dem Hörer. Lucien seufzte. „Ich sehe hier nur Aeron.“
„Verdammt! Versuche ihn zum Reden zu bringen. Ich stelle mich nur schnell wieder her und bin gleich unten bei dir.“ Er legte auf und wollte das Handy
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