Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
Er fühlte sich zerrissen, wie roh.
Jetzt erhob er sein Messer und rief: „Kronos, Titanengott, ich bin hier, wie Ihr es wünscht.“ Während er sprach, schnitt er sich mit dem Messer einmal quer über die Brust. So tief er konnte. Die Haut und sogar ein paar Organe klafften auf, Blut quoll heraus.
Der Schmerz war so heftig, dass er sich fast krümmte. Aber er musste seine Entschlossenheit unter Beweis stellen. Er hatte heute bereits mit zwei Frauen geschlafen. Zwei Frauen, an die er sich schon nicht mehr erinnern konnte, obwohl er das Bett der einen gerade mal vor einer Stunde verlassen hatte. Er hatte es satt, so satt.
Die letzten paar Tage hatte er mit Nachdenken verbracht. Zum ersten Mal. Höchst ungewöhnlich für einen Mann, der jahrhundertelang nur für seinen Körper gelebt und seinen Geist abgeschaltet hatte. Und seit einigen Tagen nun wirbelten in diesem Geist haufenweise Fragen und Optionen hin und her. Aeron oder Sienna.
„Kronos, ich flehe Euch an, zeigt Euch mir. Nur noch eine Audienz, das ist alles, was ich erbitte. Ich …“
„Du schreist unnötigerweise“, sagte die Stimme des Götterkönigs hinter ihm. Der Duft nach Sternen erfüllte augenblicklich den Raum. Ein Vibrieren von Macht und Kraft lag in der Luft und richtete die feinen Härchen auf Paris’ Armen auf.
Obwohl er es gerne getan hätte, wandte er sich nicht nach seinem Gast um. Er neigte ehrfurchtsvoll den Kopf und nahm die Haltung eines Dieners an. Er wusste nicht, ob dieser Souverän ihn schlicht für verrückt hielt oder ob sein Bild von den Herren der Unterwelt einfach nur genauso unscharf und unklar war wie das der Herren von den Göttern.
Er war unsicher diesbezüglich, entschloss sich aber, so vorzugehen, als würde Letzteres zutreffen.
„Bevor ich meine Entscheidung fälle, habe ich noch einige Fragen an Euch“, sagte er. „Wenn Ihr nichts dagegen habt, würde ich sie Euch gerne stellen.“
„Ich habe mich schon oft über dich gewundert, Dämon. Du gibst mir mit deinem Begehren ein Rätsel auf, das ich entschlossen bin zu lösen.“ Die Schritte von Sandalen und das Rascheln eines Gewandes waren zu hören, dann stand Kronos plötzlich vor ihm. „Frag.“
„Falls ich mich für Sienna entscheide, würde ich dann nur ihren verwesten Körper erhalten?“
Jetzt hörte man ein herzhaftes Lachen. „So misstrauisch. Die Griechen, diese verschlagenen Bastarde, die hätten so etwas gemacht, da bin ich sicher. Aber ich bin eine freigiebigere Natur. Von mir würdest du sie genau so zurückbekommen, wie sie war. Für dich wird sie genauso aussehen wie früher. Sie wird also keine sprechende Leiche sein. Sie wird ein Herz haben, und das wird schlagen.“
Für dich.
Diese zwei Worte machten Paris stutzig, und er runzelte heftig die Stirn. Hatte sie denn wirklich eine besondere Bedeutung, oder suchte er nur nach einem verborgenen Sinn, wo in Wirklichkeit keiner war? Über die Jahrhunderte hinweg hatten die Götter immer wieder gezeigt, wie durchtrieben sie waren. „Verschlagene Bastarde“ hatte Kronos die Griechen genannt – aber Paris schätzte, dass die Titanen nicht viel besser waren.
Deshalb hakte er nochmals nach: „Wird sie mich dann genauso hassen wie zuvor?“
Wieder hörte Paris ein Kichern und spürte, wie ihm Finger über den Nacken strichen. Obwohl ihn diese Finger nur ganz sanft berührten, übertrugen sie so viel Energie, dass Paris’ Herz heftig ins Stolpern geriet. „Natürlich wird sie dich hassen. Sie ist eine Jägerin. Und du bist ein Herr der Unterwelt. Aber trotzdem bin ich sicher, Promiskuität, dass sie sich von dir betören lässt und dich irgendwann liebt.“
Würde er das tatsächlich schaffen?
Und würde ihre Rückkehr die Schuldgefühle aufwiegen, die ihn quälen würden, wenn er die einzige Chance, Aeron zu erlösen, nicht ergriff? Reyes würde diese Frage bestimmt bejahen, denn schließlich stand seine Liebe zu Danika Aerons Erlösung genauso entgegen.
Ganz langsam hob Paris den Kopf. Sein Blick traf den von Kronos. Die Miene des Götterkönigs war unergründlich, nahezu gleichgültig. Verdammt! Wie sollte er sich entscheiden?
Danika schrie auf, als Reyes hochschnellte und reflexhaft zum Angriff überging. Und sie schrie noch mehr, als sie Aeron erkannte. Blankes Entsetzen packte sie. Sie wich zurück, bis sich ihr die kalten Gitterstäbe des Kopfendes in den Rücken drückten. Was zum Teufel soll ich tun?
Die beiden Männer rollten auf dem Boden, boxten, kratzten und bissen sich
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