Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
hätte er ihre Gedanken gelesen. „ Hoffnung wurde in einen Krieger wie mich eingesperrt, ja, das stimmt. Er hieß Galen. Aber er war ein korrupter Typ, und sein Dämon war genauso korrupt, und zusammen waren die beiden gefährlicher als jeder andere hier in der Burg. Als ich Galen und seinen Dämon kennenlernte, amüsierten sich die beiden gerade damit, den Menschen in ihrer Umgebung Mut zu machen, nur um sie danach in die Katastrophe laufen zu lassen.“
Danika schlang die Arme um ihren Oberkörper. Ihr war wieder kalt. So kalt. Was für eine Entwicklung: von glühender Wut zum Nichts und jetzt zu dem hier. Die ganze Palette. Zwei Wochen lang hatte sie diesen Tag gefürchtet, hatte solche Angst gehabt zu erfahren, dass ihre geliebte Grandma ermordet worden war. Ermordet zu einem Zeitpunkt, als Danika zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen war, um ihr zu Hilfe zu eilen.
Reyes’ Blick bohrte sich wie ein Laser in sie hinein. „Ich brauche eine ehrliche Antwort von dir, Danika. Hast du irgendetwas von dem, was du mir gerade erzählt hast, von den Jägern erfahren?“
„Nein.“ Die Jäger hatten weder Galen noch Hoffnung erwähnt.
Einen Moment lang starrten sie sich schweigend an. Sie konnte nur vermuten, was er dachte. Dass sie nicht mehr Wort halten, sondern die Krieger an die Jäger verraten würde, jetzt, wo sie wusste, dass ihre Großmutter tot war? Dass sie deswegen sterben musste? Dass es keine Rettung mehr für sie gab?
Süße Grandma Mallory. Die Erinnerung an eine lang zurückliegende Nacht schoss Danika durch den Kopf. Sie war mit ihrer Großmutter oben in ihrem Baumhaus gewesen, die Sterne funkelten am Himmel.
„Lehn dich zurück, kleines Mädchen, deine Grandma erzählt dir noch eine Geschichte.“
Schlotternd war Danika in ihren Schlafsack gekrabbelt. Die verschiedenen Düfte der kühlen Nacht wehten vorbei, beruhigten Danika aber nicht. Die Geschichten ihrer Großmutter waren so ganz anders als die Märchen, die ihr ihre Schwester immer vorlas. „Wird mir die Geschichte Angst machen?“
„Vielleicht, aber es ist in Ordnung, wenn man hin und wieder ein bisschen Angst hat. Ich möchte nicht, dass du so wirst wie ich. Ich möchte, dass du stärker bist, besser vorbereitet.“
„Ich möchte nicht vorbereitet sein, ich möchte keine Angst haben.“
„Das möchte niemand, und trotzdem ist es gut, dieses Gefühl hin und wieder zu verspüren. So hast du die Chance zu beweisen, dass du stärker bist als die Angst.“
„O…okay. Ich höre dir zu.“
„Du bist doch ganz mein kleines Mädchen!“
Obwohl Danika diese Geschichten damals noch als reine Fiktion ansah, hatten sie sie gegruselt – allerdings nicht so, dass sie sie nachts vom Schlafen abgehalten oder ihr die Lebensfreude genommen hätten. Dank ihrer Großmutter. Während ihre Eltern sie wegen ihrer Albträume verhätschelten und verzärtelten, hatte Mallory ihr immer geholfen, sich gegen die Träume zu wappnen und zu stärken, sodass sie nicht eines Tages unter dem Druck zusammenbrechen würde, wie es ihr selbst passiert war. Sie hatte Danika beigebracht, das Böse bereits im Kopf zu bekämpfen und zu besiegen.
Und es hatte funktioniert … bis Reyes und seine Freunde in ihr Leben eingedrungen waren. Seitdem war sie wieder zu einem furchtsamen kleinen Mädchen geworden. Und leider würde sie sich jetzt auch nicht mehr weismachen können, dass all diese Geschichten reine Fiktion wären. Viel zu gut wusste sie inzwischen, dass ihre Großmutter Dinge gesehen hatte. Hässliche Dinge. Böse Dinge. Reale Dinge.
„Was für Geschichten hat sie dir noch erzählt?“, fragte Reyes.
„Wenn ich es dir sage, hilfst du mir dann, ihren … ihren Körper zu finden? Und ihr ein würdiges Begräbnis zu geben?“
„Ja. Wenn sie überhaupt tot ist. Ich glaube immer noch an die Möglichkeit, dass sie überlebt hat.“
Jetzt wage es bloß nicht zu hoffen. Du hast gerade bestätigt bekommen, dass Hoffnung ein Dämon ist. Danika breitete die Geschichten ihrer Großmutter im Geiste vor sich aus, ging sie alle durch und versuchte die wichtigsten Aspekte herauszufiltern. Sie wusste nicht, wie lange sie so grübelte. Aber als sie aufsah, saß Reyes ihr direkt gegenüber auf einem Stuhl, dicht genug, um sie zu berühren, schweigend und geduldig.
„Wusstest du, dass es damals mehr Dämonen gab als unsterbliche Krieger?“, fragte sie leise. „In Ermangelung der Büchse mussten einige von ihnen in die Gefängnisinsassen des Tartaros
Weitere Kostenlose Bücher