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Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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kein Feind, keine Gefahr. »Was wisse?«
    »Habt Ihr ein wenig Heu für uns, damit wir das Maultier füttern und unsere Betten damit auspolstern können?«
    Er hielt den Sack hoch, den er mitgebracht hatte.
    »Für’n Fennich kannste dir’n Sack voll mitnehm’ tun. Ohm auf’n Boden is’ noch genuch von das Zeuch.«
    Ludolf holte eine Münze aus der Tasche. Gierig griff sie mit ihren schmutzigen Händen danach. Mit einem Grinsen entblößte sie ihr marodes Gebiss. Einige Zähne fehlten schon, andere waren schwarz. Jetzt war der Branntwein, den die Frau in sich hineingekippt hatte, deutlich zu riechen.
    Plötzlich kam ein kleiner Junge angelaufen. Durch sein dreckverschmiertes Gesicht und die abgerissenen Kleider war er deutlich als Familienmitglied zu erkennen. »Omma! Ich habe Hunger. Gib’ mich mal ’n Brot?«
    »Das heißt nich’: Gib’ mich mal ’n Brot. Sonnern: Gib’ mich bitte mal ’n Brot. Und halt endlich den Jabbel.«
    Ein Klatschen, schon hatte der Junge eine Ohrfeige weg. Heulend rannte er davon.
    Ludolf konnte sich das Lachen kaum verkneifen. Das waren ja außerordentliche Nachbarn. Hoffentlich war das Heu besser als das Gebaren dieser Sippe. »Ich hole mir einen Sack voll vom Boden«, sagte er in Richtung der Frau und ging in den Stall.
    Das Heu war in Ordnung, es war frisch aus diesem Jahr und duftete wunderbar. Früher hatte er auf dem Hof in Möllenbeck immer bei der Heuernte geholfen. Es war ein herrlicher Spaß gewesen, sich in den Haufen zu vergraben, das von der Sonne erwärmte und getrocknete Gras zu spüren. Oder einfach nur darin zu liegen. Den Duft verband er mit Sommer und Glücklichsein. Es war mehr ein Vergnügen als Arbeit gewesen.
    Als Ludolf die Leiter wieder hinunterstieg, wartete die Grauhaarige unten.
    »Nich’ dass’te zwei Säcke mitnimmst. Sonst kriechste vom Amtmann Ärger. Das is’ mein Schwager. Hasse das verstand’n?«
    »Hier ist nur ein Sack. Mehr nicht.«
    Die Frau kam näher heran und begutachtete das Heu, das er eingesammelt hatte. Dabei kam sie ihm so nah, dass er ihren fauligen Atem roch.
    Ihr Schwager war also der Amtmann. Dies war eine günstige Gelegenheit, noch einige Nachforschungen anzustellen.
    »Ihr sagtet, dass Josef Resenbach Euer Schwager ist. Als Amtmann trägt er bestimmt viel Verantwortung und hat auch immer viel zu tun. Das wird man ja nicht so ohne Weiteres.«
    Die Frau kniff die Augen zusammen und schaute ihn misstrauisch von der Seite her an. So einfältig und versoffen sie auch sein mochte, diese Sorte von Menschen hatte eine besondere Art von Schläue. Ähnlich wie ein Tier, das auch genau spürte, wann Gefahr drohte. »Wat wisse damit sag’n?«
    »Er muss schon klug und gebildet sein, um solch einen Posten zu bekommen. Der Herr vom Berge würde doch keinen ernennen, auf den er sich nicht verlassen kann.«
    »Ach, so meinste dat. Nich’ dass’te mich hier veräppeln tust. Das kann ich nich’ ab.« Ihr Gesicht hellte sich auf. Sie zeigte wieder ihre Zahnruinen. »Dat hatta auch verdient. Dat wurd’ auch Zeit. Er war scho’ immer der Bess’re. Der and’re Amtmann war nich’ geeignet dafür. Kein Stück. Der passte nich’ zu uns.«
    »Wieso war er nicht geeignet?«
    »Zu pingelich. Wir sind doch alle arme Schlucker.«
    Ludolf beeilte sich, fleißig zu nicken. Sie sollte bloß weitersprechen.
    »Da sollt’r Mitleid ham und nich’ wegen so ’ner Kleinichkeit so’n Stunk machen, der Dreckskerl.«
    »Hat er Euch hereingelegt?«
    »Genau, das isses! Hereingelecht hatta uns. Ganz hinterhältich und gemein.« Sie näherte sich ihm wieder. Ludolf vermied es, tief einzuatmen.
    »Der Wiegand hat mein’ Sohn, den Kalle, angeschwärzt. Er hätte gewildert. Dabei war’n dat nur zwei kleine Rebhühner. Beim Herrn verpfiffen hatta ihn. Der jemeine Hund! Der Wiegand hatte kein Herz für de Probleme der Leute. Und Kalle wurd’ ausgepeitscht. Dabei hatte der Kerl ’s verdient. Also den Heinrich mein’ ich. Nich’ mein Junge.«
    »Wohnt Kalle auch hier?«
    »Ne. Der lebt nu’ in Minden. Arbeitet bei ’nem Bader. Kolraven isses, ohm bei St. Martini. Macht da alles Mögliche. Aber wegen dem Wiegand wär’ er fast dann donoch hingerichtet wor’n. Kalle hat’n Wiegand gefunden, wo er vom Pferd gefallen war. Drüb’n auf’n Weg am Berch nach Neesen.« Die Frau zeigte auf den kleinen Pfad, der von der Kirche ausgehend am Berg entlangging und durch den Weserdurchbruch führte. Er sah sehr schmal und steinig aus. Der Weg war nur zu Fuß

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