Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
der Tür bei der kleinen Kammer, als Agnes hinter ihm hereilte und ihn am Arm festhielt. Ihre Augen blitzten gefährlich. Sie war wütend. »Du hast gewonnen. Ich gehe in die Kammer und werde sie gut versperren. Aber das zahle ich dir heim.«
»Dir auch eine angenehme Nacht.«
Agnes ging zum Stuhl, nahm die anderen Decken und ihr Bündel und verschwand in der Kammer. Sie knallte die Tür hinter sich zu und schimpfte vor sich hin.
Nach einiger Zeit wurde es in der Kammer ruhiger. Vermutlich hatte sie sich endlich hingelegt. Ludolf nahm seinen Packen und richtete sich in einer Zimmerecke häuslich ein. Ein so hartes und ungemütliches Bett hatte er noch nie gehabt. Er hoffte nur, müde genug zu sein, um schnell einzuschlafen.
Agnes trifft Pater Anno
Dienstag, 5.9.1384
Eine schlimme Nacht war das gewesen. Agnes hatte das Gefühl, vom Kopf bis Fuß nur aus blauen Flecken zu bestehen. Sie brauchte unbedingt ein richtiges Bett mit einer weichen Unterlage. Auch Ludolf hatte nicht besser geschlafen. Sie hatte mehrfach gehört, wie er ob des harten Bodens geschimpft und gestöhnt hatte. Agnes stand auf. Durch das kleine Fenster fiel die erste Helligkeit des Tages in den kleinen Raum. Es musste so etwa Prima 16 sein: Die Vögel veranstalteten ein lautes Konzert, um den Morgen zu begrüßen. Eine Amsel schien genau auf dem Dach zu sitzen, man konnte ihr Singen deutlich hören. Agnes liebte diesen Augenblick zwischen dem Wachwerden der Natur und dem Beginn des geschäftigen Treibens.
Zum Glück war Möllenbeck ein Stift für reiche, adelige Frauen und Töchter. Dort wurde der Ablauf des Tages nicht so streng genommen, wie man es von den Ordenshäusern üblicherweise her kannte. Man nahm Rücksicht auf den Stand und die Vorlieben der Damen. Es wäre keinem eingefallen, schon zu Laudes 17 einen Gottesdienst abzuhalten, noch bevor überhaupt die Dämmerung begann.
Sie nahm Kleid und Bluse unter den Arm und öffnete leise die Tür zur Stube. Ludolf lag noch schlafend in seiner Ecke und schnarchte. Die arme Frau, die den einmal bekäme. Die müsste sich dann jede Nacht anhören, wie der Bursche einen Baum nach dem anderen absägte.
Das Nächste war jetzt wohl, frisches Wasser zu holen. Agnes nahm den Krug und ging in den Ort hoch. Von überall hörte man schon geschäftiges Treiben. Langsam begann in den Häusern und Ställen das Tagewerk. Irgendwo klapperten Türen, man hörte Kinder weinen, Schweine grunzen, Kühe beim Melken brüllen, Hühner hinter den Hecken gackern. Jedoch begegnete ihr niemand auf dem Weg zum Brunnen. Sie hatte den Brunnen für sich allein.
»Guten Morgen, meine Tochter.«
Agnes fuhr zusammen. Sie sah sich um.
Ein paar Schritte entfernt stand ein kleiner, rundlicher Mann mit Tonsur und Ordenstracht.
»Oh. Habe ich Euch erschreckt? Das tut mir leid, bitte verzeiht mir meinen ungestümen Gruß.«
»Schon gut, lieber Pater. Ich war ganz in Gedanken und habe Euch nicht bemerkt.«
Das bartlose Gesicht des Geistlichen hellte sich auf. Sein Lächeln wurde breiter, seine kleinen Äuglein strahlten die junge Frau an. »Ich heiße Anno von Dankersen und bin hier im Kollegiatsstift St. Walburga. Ihr seid bestimmt unsere neuen Nachbarn. Der Amtmann erzählte mir von Euch.«
»Ja. Ich bin Luke Scheffer, mein Mann ist der Jost.«
Agnes atmete tief durch. Sie hatte noch nie einen Priester belogen. Wenn der Auftrag erledigt war, musste sie dringend zur Beichte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hoffte, dass ihre Aufregung und Nervosität sie nicht verrieten.
»Habt Ihr Kinder?«
»Nein. Wir sind noch nicht ganz eine Woche verheiratet.«
Der Pater zog die Augenbrauen hoch. »Und schon von der Heimat fort?«
»Es war ein gnädiges Angebot des ehrwürdigen Bischofs Otto. Seine Base, die Äbtissin von Möllenbeck, Heilwig von Solms, hat nämlich unsere Heirat in die Wege geleitet.«
»Da habt Ihr aber eine außergewöhnliche Unterstützung bekommen. Aber welchem Umstand habt Ihr das zu verdanken?«
»Ich bin im Kloster erzogen worden.«
»Das ist sehr zu loben. Damit habt Ihr bestimmt eine gute, christliche Erziehung genossen. Ich wunderte mich schon. Die Mädchen sind doch meistens erst fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, wenn sie verheiratet werden. Ihr scheint mir aber über zwanzig zu sein?«
»Vierundzwanzig.«
»Von welcher Zunft seid Ihr?«
»Mein Mann ist Tischler und Wagner.«
»Das ist gut, denn Euer Vorgänger ist leider verstorben. Er hatte die Schwindsucht. Ein tragischer Fall.« Der
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