Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Ludolf und eilte Agnes hinterher.
Rückweg
Ludolf hastete an den Steintischen der Fleischer entlang und schaute unablässig um sich. Er blickte in die kleinen Gassen zwischen den Häusern, betrachtete die vielen Menschen. Agnes war nicht mehr zu sehen gewesen, als er aus dem Haus des Händlers getreten war. Fast wäre er daher an ihr vorbeigelaufen. Sie stand bei einem Händler, der bunt verziertes Tongeschirr anbot.
Sie hielt eine kleine Schale in der Hand und betrachtete sie eingehend. Der Händler pries die Ware lautstark an. Aber sie bedankte sich nur, stellte das kleine Behältnis wieder hin und ging langsam weiter.
Ludolf schloss vorsichtig zu ihr auf.
Sie bemerkte ihn zwar, sagte aber nichts.
»Agnes, es tut mir leid, dass ich deine Hoffnung zerstört habe.«
»Ist schon gut. Wir dürfen keinen Unschuldigen zum Henker schicken. Den Tuchhändler müssen wir streichen. Ich will nicht mehr darüber reden.«
»Karl musste ich auch schon ausschließen. Beim Bader habe ich erfahren, dass er inzwischen in Bremen ist.«
Wieder gingen sie schweigend nebeneinander her. Sie bogen nach rechts ab in die Straße, die wieder zum Stadttor und der Weserbrücke führte. Beim Gerber beschleunigten sie ihren Schritt, um den Übelkeit erregenden Geruch so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Am Brunnen löschten sie noch einmal ihren Durst. Die größte Hitze war für diesen Nachmittag schon vorbei, aber der Rückweg würde noch anstrengend genug werden. Erst gegen Abend würden sie wieder an der Burg sein.
Als die beiden die Brücken überquert und die Stadt hinter sich gelassen hatten, konnte sich Ludolf nicht mehr zurückhalten. »Von wem war Kuneke denn schwanger? Doch vom Händler Dudenhausen?«
»Ich glaube nicht. Er hat zwar nichts davon gesagt. Oder genauer: Ich habe nicht danach gefragt. Aber wenn Kuneke eine solche Abneigung gegen ihn hatte, glaube ich kaum, dass sie ... Na, du weißt schon.«
»Nö. Was denn?«
Der wollte sie doch nur wieder necken. »Du bist gemein!« Nach einer Pause flüsterte sie so leise wie möglich: »Kinder machen.«
Ludolf konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die tugendhafte Agnes war so auf Sitte und Anstand bedacht, dass sie sich kaum über die natürlichste Sache der Welt äußern konnte, ohne rot zu werden. Um sie aber nicht noch mehr zu verärgern, ließ er es damit gut sein. »Er war sogar bereit, ihre Kinder als seine eigenen anzunehmen. Vielleicht war sie deswegen bereit, ihn noch vor der Ehe an sich heranzulassen.«
»Das glaube ich nicht. Wenn Kuneke von dem Kerl schwanger gewesen sein sollte, hätte sie sicherlich schnell genug geheiratet, um das Kind als eheliches zur Welt zu bringen. Sie ist schon Mutter und liebt ihre Kinder. Also wird sie alles tun, damit es auch ihr drittes gut hat.«
»Richtig. Wenn sie den Mann nicht will, wen denn sonst? Den Schmied? Von einem anderen Verehrer haben wir nichts gehört.«
Das Ganze war wirklich verwirrend. Sie wussten nun zwar, was mit Kuneke geschehen war, wo und wann sie gestorben war und dass sie ein Kind erwartet hatte. Dafür lichteten sich aber die Reihen der wenigen Verdächtigen ständig.
»Wer bleibt übrig?«, fragte Ludolf. Er kannte die Antwort schon: der Schwager Dietrich, Marie, die Magd, und der unbekannte Vater.
Agnes aber sprach über jemand anderen. Mechthild Fischer. Sie war zwar angetan gewesen von der aufrechten und willensstarken Frau, die sich so rührend um die Enkel kümmerte, aber was Tante Hildegard und die Hebamme Herta erzählt hatten, passte so gar nicht in dieses Bild. Und schließlich war sie ja an der geplanten Entführung Kunekes maßgeblich beteiligt – was deutlich machte, dass sie eben kein so guter Mensch war, wie Agnes geglaubt hatte.
Ludolf verstand die Enttäuschung sehr gut. Er versuchte, Agnes zu beruhigen. »Es war bestimmt nicht ihre Absicht, dass Kuneke umkommt. Sie wollte die Tochter mit allen Mitteln zur Heirat zwingen. Der Mord war nicht geplant. Da ist jemand anderes schuld.«
»Aber müssen wir ihr jetzt sagen, dass Kuneke tot ist? Das kann machen, wer will: Ich nicht!«
Ludolf nickte vor sich hin. Dazu verspürte er ebenfalls keine Lust. Die Sonne sank bereits, trotzdem lastete auf dem Land noch große Hitze. Am Horizont bildeten sich einige weiße Wolken. Ein kühlendes Gewitter würde es aber heute leider nicht mehr geben. Als sich Agnes beim Donner so an ihn geschmiegt hatte, war das doch sehr angenehm gewesen. Aber dafür wäre heute ein erfrischendes
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